an einer ladenfront
lese ich
HORMONE FÜR DIE GANZE FAMILIE
erst auf den zweiten
blick erkenne ich meinen fehler
HAARMODEN FÜR DIE GANZE FAMILIE
| thomas wettengel © 2010-12-24 |
2010-12-24
2010-12-14
BEWERBUNG ALS TOTER MANN
absender
adressat
datum, unort
sehr geehrte damen und herren tote
mit grossem interesse habe ich ihre todesanzeigen zur kenntnis genommen
vor allem der fehlenden interpunktion habe ich mit tiefer bestürzung entnommen
wie dringend sie nachschub für das reich der toten suchen
auf dem gebiete des verwesens habe ich bereits einige erfahrungen sammeln können
die ich mit einer anstellung bei ihnen gern weiter vertiefen und erweitern möchte
meine stärken sehe ich besonders auf dem gebiet der totenbeschwörung
als motivierter zukünftiger toter sehe ich es als meine selbstverständliche verpflichtung an
ständig meinen toten mann zu stehen
ich weiss die geduld des papiers zu würdigen auf dem diese sätze stehen
ich denke dass ich nichts zu ihrem nichts etwas beitragen kann
oder wie es das sprichwort so treffend formuliert
von nichts kommt nichts
meine zahlreichen qualifikationen entnehmen sie bitte den anhängen
ich verbleibe mit der bitte um letztbegrünung sowie
mit freundlichen grüssen
unterschrift
anhang 1 geburtsurkunde
anhang 2 aktuelle krankenakte (inkl. speichelprobe u. röntgenaufnahme verfallender und bereits verfallener organe)
anhang 3 aktueller zahnstand
anhang 4 vollständige übersicht über krankenhaus-, klinik- und kuraufenthalte
anhang 5 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung kalkulierte restlaufzeit, vor- und nachstrafen
anhang 6 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung gegengezeichnete schonungsloseste selbstkritik
anhang 7 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung beglaubigte exkommunikationen aus sämtlichen relevanten parteien, massenorganisationen, verbänden und sonstigen kollektiven verwicklungen
anhang 8 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung bestätigte grossschadensereignisse (super-gau etc.) in der näheren umgebung des bewerbers
anhang 9 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung urkundlich besonders verabscheute nekrophile literarische und sonstige so genannte künstlerische erzeugnisse des bewerbers (auswahl)
anhang 10 vordrucke für sterbeurkunde und obduktionsbericht
anhang 11 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung durchschlagend beglaubigte freiwillige bereitschaftserklärung zum sozialverträglichen frühableben
anhang 12 vor- und abgefertiger vordruck des kürzestmöglichen nachrufs
| thomas wettengel © 2010-12-14 |
adressat
datum, unort
sehr geehrte damen und herren tote
mit grossem interesse habe ich ihre todesanzeigen zur kenntnis genommen
vor allem der fehlenden interpunktion habe ich mit tiefer bestürzung entnommen
wie dringend sie nachschub für das reich der toten suchen
auf dem gebiete des verwesens habe ich bereits einige erfahrungen sammeln können
die ich mit einer anstellung bei ihnen gern weiter vertiefen und erweitern möchte
meine stärken sehe ich besonders auf dem gebiet der totenbeschwörung
als motivierter zukünftiger toter sehe ich es als meine selbstverständliche verpflichtung an
ständig meinen toten mann zu stehen
ich weiss die geduld des papiers zu würdigen auf dem diese sätze stehen
ich denke dass ich nichts zu ihrem nichts etwas beitragen kann
oder wie es das sprichwort so treffend formuliert
von nichts kommt nichts
meine zahlreichen qualifikationen entnehmen sie bitte den anhängen
ich verbleibe mit der bitte um letztbegrünung sowie
mit freundlichen grüssen
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anhang 1 geburtsurkunde
anhang 2 aktuelle krankenakte (inkl. speichelprobe u. röntgenaufnahme verfallender und bereits verfallener organe)
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anhang 4 vollständige übersicht über krankenhaus-, klinik- und kuraufenthalte
anhang 5 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung kalkulierte restlaufzeit, vor- und nachstrafen
anhang 6 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung gegengezeichnete schonungsloseste selbstkritik
anhang 7 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung beglaubigte exkommunikationen aus sämtlichen relevanten parteien, massenorganisationen, verbänden und sonstigen kollektiven verwicklungen
anhang 8 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung bestätigte grossschadensereignisse (super-gau etc.) in der näheren umgebung des bewerbers
anhang 9 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung urkundlich besonders verabscheute nekrophile literarische und sonstige so genannte künstlerische erzeugnisse des bewerbers (auswahl)
anhang 10 vordrucke für sterbeurkunde und obduktionsbericht
anhang 11 vom bundesministerium für lamellenverbreiterung durchschlagend beglaubigte freiwillige bereitschaftserklärung zum sozialverträglichen frühableben
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| thomas wettengel © 2010-12-14 |
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Tod,
todesmarsch
2010-12-10
LESEN UND LESEN LASSEN
Ilja Ehrenburg: Der zweite Tag
Der Roman hebt mit einem religiösen Vorspruch an (Genesis 7, 8). Und tatsächlich liest sich das Anfang der 1930er Jahre entstandene Werk auch wie ein religiöser Text. Diese Emphase der Gewissheit ist religiös, und die Religion des Schriftstellers heisst: Kommunismus.
ehrenburg, mit seinem / optimismus aus disziplin und / verachtung für das alte
"Er weiß: er ist nicht der einzige. In Tomsk kann man noch ein paar Dutzend dieser traurigen Sonderlinge finden. In Moskau werden ihrer bestimmt ein paar Tausend sein. Professor Baitschenko nennt sie ‚Isgojs‘ [Waisen, Exilanten], Waska Smolin – ‚Klassenfeinde‘, Irina – ‚Verlorene‘. Sie alle haben recht: der Professor, Smolin und Irina." (66)
Und so will dieser Roman, der parteiisch die Realität der sozialistischen Industrialisierung unter Stalin anhand von Lebenswege verschiedener Figuren skizziert, Wirklichkeit abbilden. Es ist Wirklichkeit, dargestellt durch eine rote, aber nicht durch eine rosarote Brille. Und es ist die Wirklichkeit der Literatur. Was bleibt, ist im Nachhinein, und in einem solchen Nachhinein lebt der Rezensent, sowohl in Bezug auf den Text als auch im Hinblick auf das Dargestellte: Text.
Die Revolution kommt in der Wirklichkeit des Plans an. Und so endet der Roman auch mit einer flammenden Ansprache eines alten Partisanen aus dem Bürgerkrieg, in der der Kampfgeist der alten Zeit, das Vermächtnis der Toten beschworen wird, um das Stahlwerk, das Werk Stalins, voranzutreiben. Ehrenburg verschweigt nicht die Opfer, aber er ordnet sie ein. Das muss der Leser nicht mögen.
vom grossen vorhaben / bleiben die bücher, die / rechnung ablegen wie eier in die zeit, den wirt
Ehrenburgs Roman verschweigt nicht die Brutalisierung, die Verselbständigung der Rachegelüste im Kostüm der Bürokratie. Die Revolutionstribunale der Französischen Revolution, wir wissen es heute, kehrten, nach dem bekannten Bonmot Marxens aus dem "18. Brumaire", als Farce zurück: "[…] Man hörte auf zu beweisen und begann zu erschießen. […]" (78) Ehrenburg schreibt das Jahre vor den Moskauer Prozessen. Er schreibt auch, dass die Menschen an der Wolga einander auffressen. Das Warum verschweigt er.
Natürlich kommen auch Schädlinge vor, die Fleisch gewordenen Fehler:
"Die Komsomolzen hatten den Prozess gegen die Industriepartei noch gut in Erinnerung. Sie sagten: 'Das ist der Klassenfeind.' Die Erdarbeiter, die frisch vom Lande kamen und die man geringschätzig 'Pelzhosen' nannte, hatten nie von der Industriepartei gehört. Aber sie fühlten dunkel, dass arglistige Schädlinge ringsum lauerten. Der alte Mologin war überzeugt, dass die Schädlinge die Maschinen zuschanden reiten, wie die Poltergeister die Pferde. Andrjuschka glaubte weder an Gott noch an den Teufel, aber über den Fünfjahrplan und die Räuber des Weltkapitalismus wusste er Bescheid. Die Ausländer gaben den Schädlingen Geld. Sie glichen in keiner Hinsicht den ausländischen Fachleuten, die die Obere Kolonie bewohnten, und die abends die Grammophone aufzogen. Es waren andere Ausländer, unsichtbar und furchterregend. Morgens betrachteten die Bauarbeiter voll banger Unruhe die Kräne und Flaschenzüge. Die Wachtposten an den Toren prüften die Passierscheine. Die Schädlinge waren wendig. Fedka schwor, er werde einen Schädling fangen. In der Zeitung standen die Namen von Ingenieuren, die der Schädlingsarbeit überführt worden waren. Fedka brachte die Zeitung mit und sagte: 'Ich glaube einem Ingenieur nicht eine Silbe, weil er ein heimlicher Bourgeois ist.' Kolka schrie ihn an: 'Schädlinge kommen vor Gericht. Bei uns aber arbeiten ehrliche Spezialisten. Mach' keine Sachen, Fedka!' Fedka wurde böse: 'Es ist meine heilige Pflicht, so einen auf die Nadel zu spießen!' Als er erfuhr, dass Morosow Kusmin erwischt hatte, knurrte Fedka: 'Wieviele laufen noch frei herum!'" (283-284)
Die Industriepartei, ein Konstrukt der Bürokratie, kommt wie die anderen so genannten Schädlinge und Schädlingsorganisationen einfach nur vor, quasi als höhere Gewalt, die aber in dem religiösen Ringen, dem sich Ehrenburg verschrieben hat, durch eine noch höhere, eine höchste Macht besiegt werden müssen - mit eisernem Besen, mit stählerner Faust...
'Der zweite Tag' ist aus Konsumentensicht schwere Kost. Er ist religiöse Erbauungsliteratur für gebildete oder zu bildende Schichten. Interessant wird er dort, wo sich unerwartet Anknüpfungspunkte ergeben, zum 'Don Quichote' des Cervantes und zu Benjamins 'Geschichtsthesen'. Einer der 'Sonderlinge', ein Fleisch gewordenes unglückliches Bewusstsein auf einer sibirischen Grossbaustelle, schlüpft auf seinen Grübeleien durch die 'Jahrhundertwände' - ein Privileg der Phantasie - und eröffnet dem offenen Leser Einblicke:
"Wolodja war zur Untätigkeit verurteilt. Alles, was er machte – von der Arbeit in der Fabrik bis zu den mathematischen Aufgaben – war nur der Reflex eines fremden Lebens. Feindselig betrachtete er seine Vergangenheit. Er sah die ganze Überlegenheit seiner Knabenjahre: damals waren die Bremsvorrichtungen noch nicht in Tätigkeit. Sein Anfang war gut gewesen – nur Dummköpfe lachen über einen Don Quichote. War es nicht gleichgültig, dass Mischa oder Waska ein so heftiges Gefühl nicht verdienten? Windmühlen sind dennoch Feinde. Sie sind minderwertiger als Menschen, aber schwerer als sie zu vernichten. Sie stellen sich einem in den Weg und fordern zum Kampf heraus. Sie gleichen der Geschichte." (198-199)
Ehrenburg lässt seine Figuren nie ganz allein, immer ist der Erzähler zur Stelle, wenn es zu brenzlig wird. Das Feuer soll dort bleiben, wo es brauchbar ist, wo es seine Planstelle erfüllen kann. Dennoch sollte 'Der zweite Tag' nicht links liegen gelassen werden. Wer etwas über die Sowjetunion der 30er Jahre erfahren will, kommt an diesem Text kaum vorbei. Geschrieben in einem Staat, den es nicht mehr gibt, gedruckt in einem Staat, den es auch nicht mehr gibt. Ein Text, der, um es dramatisch zu sagen, auf Geschichte wartet.
[Ilja Ehrenburg: Der zweite Tag, übers. v. Rudolf Selke, Prag: Malik 1933]
| thomas wettengel © 2010-12-10 |
Der Roman hebt mit einem religiösen Vorspruch an (Genesis 7, 8). Und tatsächlich liest sich das Anfang der 1930er Jahre entstandene Werk auch wie ein religiöser Text. Diese Emphase der Gewissheit ist religiös, und die Religion des Schriftstellers heisst: Kommunismus.
ehrenburg, mit seinem / optimismus aus disziplin und / verachtung für das alte
"Er weiß: er ist nicht der einzige. In Tomsk kann man noch ein paar Dutzend dieser traurigen Sonderlinge finden. In Moskau werden ihrer bestimmt ein paar Tausend sein. Professor Baitschenko nennt sie ‚Isgojs‘ [Waisen, Exilanten], Waska Smolin – ‚Klassenfeinde‘, Irina – ‚Verlorene‘. Sie alle haben recht: der Professor, Smolin und Irina." (66)
Und so will dieser Roman, der parteiisch die Realität der sozialistischen Industrialisierung unter Stalin anhand von Lebenswege verschiedener Figuren skizziert, Wirklichkeit abbilden. Es ist Wirklichkeit, dargestellt durch eine rote, aber nicht durch eine rosarote Brille. Und es ist die Wirklichkeit der Literatur. Was bleibt, ist im Nachhinein, und in einem solchen Nachhinein lebt der Rezensent, sowohl in Bezug auf den Text als auch im Hinblick auf das Dargestellte: Text.
Die Revolution kommt in der Wirklichkeit des Plans an. Und so endet der Roman auch mit einer flammenden Ansprache eines alten Partisanen aus dem Bürgerkrieg, in der der Kampfgeist der alten Zeit, das Vermächtnis der Toten beschworen wird, um das Stahlwerk, das Werk Stalins, voranzutreiben. Ehrenburg verschweigt nicht die Opfer, aber er ordnet sie ein. Das muss der Leser nicht mögen.
vom grossen vorhaben / bleiben die bücher, die / rechnung ablegen wie eier in die zeit, den wirt
Ehrenburgs Roman verschweigt nicht die Brutalisierung, die Verselbständigung der Rachegelüste im Kostüm der Bürokratie. Die Revolutionstribunale der Französischen Revolution, wir wissen es heute, kehrten, nach dem bekannten Bonmot Marxens aus dem "18. Brumaire", als Farce zurück: "[…] Man hörte auf zu beweisen und begann zu erschießen. […]" (78) Ehrenburg schreibt das Jahre vor den Moskauer Prozessen. Er schreibt auch, dass die Menschen an der Wolga einander auffressen. Das Warum verschweigt er.
Natürlich kommen auch Schädlinge vor, die Fleisch gewordenen Fehler:
"Die Komsomolzen hatten den Prozess gegen die Industriepartei noch gut in Erinnerung. Sie sagten: 'Das ist der Klassenfeind.' Die Erdarbeiter, die frisch vom Lande kamen und die man geringschätzig 'Pelzhosen' nannte, hatten nie von der Industriepartei gehört. Aber sie fühlten dunkel, dass arglistige Schädlinge ringsum lauerten. Der alte Mologin war überzeugt, dass die Schädlinge die Maschinen zuschanden reiten, wie die Poltergeister die Pferde. Andrjuschka glaubte weder an Gott noch an den Teufel, aber über den Fünfjahrplan und die Räuber des Weltkapitalismus wusste er Bescheid. Die Ausländer gaben den Schädlingen Geld. Sie glichen in keiner Hinsicht den ausländischen Fachleuten, die die Obere Kolonie bewohnten, und die abends die Grammophone aufzogen. Es waren andere Ausländer, unsichtbar und furchterregend. Morgens betrachteten die Bauarbeiter voll banger Unruhe die Kräne und Flaschenzüge. Die Wachtposten an den Toren prüften die Passierscheine. Die Schädlinge waren wendig. Fedka schwor, er werde einen Schädling fangen. In der Zeitung standen die Namen von Ingenieuren, die der Schädlingsarbeit überführt worden waren. Fedka brachte die Zeitung mit und sagte: 'Ich glaube einem Ingenieur nicht eine Silbe, weil er ein heimlicher Bourgeois ist.' Kolka schrie ihn an: 'Schädlinge kommen vor Gericht. Bei uns aber arbeiten ehrliche Spezialisten. Mach' keine Sachen, Fedka!' Fedka wurde böse: 'Es ist meine heilige Pflicht, so einen auf die Nadel zu spießen!' Als er erfuhr, dass Morosow Kusmin erwischt hatte, knurrte Fedka: 'Wieviele laufen noch frei herum!'" (283-284)
Die Industriepartei, ein Konstrukt der Bürokratie, kommt wie die anderen so genannten Schädlinge und Schädlingsorganisationen einfach nur vor, quasi als höhere Gewalt, die aber in dem religiösen Ringen, dem sich Ehrenburg verschrieben hat, durch eine noch höhere, eine höchste Macht besiegt werden müssen - mit eisernem Besen, mit stählerner Faust...
'Der zweite Tag' ist aus Konsumentensicht schwere Kost. Er ist religiöse Erbauungsliteratur für gebildete oder zu bildende Schichten. Interessant wird er dort, wo sich unerwartet Anknüpfungspunkte ergeben, zum 'Don Quichote' des Cervantes und zu Benjamins 'Geschichtsthesen'. Einer der 'Sonderlinge', ein Fleisch gewordenes unglückliches Bewusstsein auf einer sibirischen Grossbaustelle, schlüpft auf seinen Grübeleien durch die 'Jahrhundertwände' - ein Privileg der Phantasie - und eröffnet dem offenen Leser Einblicke:
"Wolodja war zur Untätigkeit verurteilt. Alles, was er machte – von der Arbeit in der Fabrik bis zu den mathematischen Aufgaben – war nur der Reflex eines fremden Lebens. Feindselig betrachtete er seine Vergangenheit. Er sah die ganze Überlegenheit seiner Knabenjahre: damals waren die Bremsvorrichtungen noch nicht in Tätigkeit. Sein Anfang war gut gewesen – nur Dummköpfe lachen über einen Don Quichote. War es nicht gleichgültig, dass Mischa oder Waska ein so heftiges Gefühl nicht verdienten? Windmühlen sind dennoch Feinde. Sie sind minderwertiger als Menschen, aber schwerer als sie zu vernichten. Sie stellen sich einem in den Weg und fordern zum Kampf heraus. Sie gleichen der Geschichte." (198-199)
Ehrenburg lässt seine Figuren nie ganz allein, immer ist der Erzähler zur Stelle, wenn es zu brenzlig wird. Das Feuer soll dort bleiben, wo es brauchbar ist, wo es seine Planstelle erfüllen kann. Dennoch sollte 'Der zweite Tag' nicht links liegen gelassen werden. Wer etwas über die Sowjetunion der 30er Jahre erfahren will, kommt an diesem Text kaum vorbei. Geschrieben in einem Staat, den es nicht mehr gibt, gedruckt in einem Staat, den es auch nicht mehr gibt. Ein Text, der, um es dramatisch zu sagen, auf Geschichte wartet.
[Ilja Ehrenburg: Der zweite Tag, übers. v. Rudolf Selke, Prag: Malik 1933]
| thomas wettengel © 2010-12-10 |
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