2009-11-30

NEUES MUSEUM

ich hatte mich zwei tage zuvor mit r. und m. für diesen samstag verabredet. wir wollten gemeinsam ins neue museum auf der museumsinsel gehen. ich hatte sofort zugesagt, als r. mich anrief. ich war schon monatelang nicht mehr im museum gewesen, in keinem alten und in keinem neuen. als ich am samstagnachmittag die grosse schlange vor dem eingang unter den kolonnaden sah, dachte ich, dass es doch keine gute idee ist, sich am wochenende an einem touristenziel zu verabreden. den tag über hatte ich mit dem gedanken gespielt, den beiden einfach abzusagen. ein fadenscheiniger grund würde sich schon finden.
ich stand also auf der oberen plattform einer riesigen, zweiflügligen treppe, die auch ein grösseres haus vertragen hätte, und wartete. ich sah sie kommen, herumstehen, sich umsehen. ich rief r. auf seinem mobiltelefon an und dirigierte ihn, bis er mich sah. ich winkte huldvoll. der tag war gerettet, befand ich, als ich die treppe hinunterschritt.
wie sich herausstellte, hatten r. und m. ebenfalls keine lust aufs neue museum. sie waren am vormittag auch schon in einem möbelmarkt und in einem einrichtungshaus gewesen. das wahre neue museum, sagte ich, in tausend jahren landet alles im ethnologischen museum, auf welchem planeten auch immer. um den beiden die letzten zweifel an der gestaltung des nachmittags zu nehmen, schätzte ich die aktuelle wartezeit am neuen museum auf eine stunde. das half.
wir flanierten, zukünftige fundstücke einer archäologie nach uns, in richtung eines italieners am alexanderplatz, nicht ohne den gedrängten weihnachtsmarkt zu durchqueren und quarkkeulchen zu essen. m. protestierte, er habe bereits gestern welche gegessen, aber es half nichts. ich war in spendierlaune. zehn quarkkeulchen zu fünf euro, da musste ich zuschlagen. unter dem plastevordach des italieners angekommen, wärmte ich meinen rücken an einem heizpilz. ich hatte den besten platz ergattert, blick aufs treiben draussen. kaum hatten wir unsere bestellungen aufgegeben, m. und r. je ein bier, ich einen doppelten espresso, als sich ein gasflaschenlieferant an besagtem heizpilz zu schaffen machte. als ich r.s verängstigtes gesicht sah, ergriff ich die gelegenheit. in richtung von m. machte ich andeutungen über die gefahren des rauchens in gegenwart von propangasflaschen. dem blasser werdenden r. versicherte ich von uns würde nichts übrigbleiben, er könne sich in ruhe seine letzte zigarette entzünden. man würde uns höchstens anhand des zahnstands identifizieren können. oder des kontostands, meinte m. genau, sagte ich richtung r., das geht ganz schnell und du merkst gar nichts. m. lachte.
mit der dunkelheit kam der regen und ein gespräch über telefonverträge, weihnachtsgeschenke und waschmaschinen. menschen hetzten vorbei, bunte lichter blinkten, und um r., der mittlerweile weiss wie papier war, aufzumuntern und ihn meiner sympathie zu versichern, sagte ich: kirchner, und wies nach draussen. in meinem gehirn spukte das wort: pompeji herum.

2009-11-27

SKLAVENARBEIT

Supermärkte setzen Null-Euro-Jobber ein
26. Nov 10:54
Ein-Euro-Jobber? Ach was, es geht noch billiger. In einigen Supermärkten stehen inzwischen an den Kassen Einpackhilfen, die am besten sehr freundlich zu den Kunden sein sollten. Denn: Außer Trinkgeld gibt's nichts.Nach Deutschland schwappt jetzt eine neue Variante der Niedriglohn-Beschäftigung aus den USA herüber. Wie das Wirtschaftsmagazin «Impulse» berichtet, packen Schüler und Studenten bereits an einer ganzen Reihe von Supermarkt-Kassen die Einkaufstüten und bekommen dafür nichts außer Trinkgeld von den Kunden.
Vermittler der Einpackhilfen sei das Ingolstädter Unternehmen Friendly Service, das dafür pro Person und Stunde drei bis fünf Euro von Läden kassiere. Die Helfer sind laut «Impulse» selbstständig und haben einen Vertrag mit Firmenchef Martin Lettenmeier. Zu den Kunden von Lettenmeier zählten bislang 32 Läden der Edeka-Gruppe – vor allem in Bayern, zwei in Berlin und einer in Dresden. In Hamburg laufe gerade ein Test bei der Drogeriekette Budnikowsky.
«Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ist das eine geniale Idee», sagte er dem Magazin zufolge. Lettenmeier gesteht demnach aber auch ein, dass es sich dabei um «ein brutal kapitalistisches System» handelt. Von ihm erhalten die Einpackhilfen lediglich ein Regelhandbuch. Bei der Schichteneinteilung achte er zudem darauf, dass keine Sozialabgaben und Steuern für die Trinkgeld-Empfänger anfallen.
Nach eigenen Angaben von Friendly Service bietet das Unternehmen seit Ende April 2006 den Einpackservice an. Mitarbeiter sind vor allem Schüler und Studenten, die an den Kassen an ihren knallgelben T-Shirts zu erkennen sind. Auf der Firmen-Website erzählen einige Einpacker «ihre schönsten Erlebnisse» – etwa von Stammkunden, die auch mal Geld geben, wenn sie nur wenig eingekauft haben und keine Hilfe benötigen. Oder der Einpacker Ümit Celik, der von einem Kunden einen Euro bekam mit dem Satz «Aber nicht für Alkohol ausgeben!» (nz)
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/1522039.html

2009-11-19

NACH DER MODERNE IST VOR DER MODERNE

was die eingefleischten untoten immer wussten. der weg fuehrt ins nichts, wieder zurueck, und egal, wo man abbiegt, wieder ins nichts, undsoweiter. das ist nun auch wissenschaftlern auf ihrer suche nach schillers schaedel auf (ihren schaedel) gefallen.

zweifel an der echtheit des schaedels gab es schon frueh. anlass dafuer gaben die umstaende der bestattung in einem massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten, die bergung des vermeintlichen schiller-skeletts und die umbettung in die fuerstengruft. in dem gewoelbe herrschte ein 'chaos von moder und faeulnis' bemerkte der buergermeister carl leberecht schwabe 1826 nach seinen bemuehungen, die ge(h)beine schillers anhand der totenmaske zu identifizieren. fast 100 jahre spaeter wurde ein zweiter schaedel geborgen und schiller zugeordnet. seitdem hat die frage um die echtheit der koepfe den streit unter wissenschaftlern immer wieder neu entflammen lassen. (die zeit, 19.11.2009)

ein massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten - die auswuechse des anhaltenden promi-staus werden hier deutlich sicht- und ruchbar. der einfache vor(n)schlag zur hervorfindung der echtheit des kopfes der schillernden persoenlichkeit des schiller: man schlage (stecke) nach neandertaler art beide koepfe zusammen. wer uebrig bleibt, hat gewonnen, oder einen interessanten splitter fuer die persoenliche vitrine.

keine literatur ist an fragmenten so reich wie die deutsche. (heiner mueller)

2009-11-17

SAFRANSKI

fuer den philosophen ruediger safranski beginnt in den 1960er jahren die gegenwart und endet zugleich das romantische als bewegung. safranski ist deshalb immer, wenigstens sich selbst, zeitgemaess, weil er, einmal stehen geblieben, seinen zeitpunkt breit tritt und die moeglichen zukuenfte um sich spritzen laesst. er ist seine eigene zeit, und was nach ihm kommt, hat (ihm) nichts zu sagen.

http://www.youtube.com/watch?v=88teMWNl7n0

trotzdem der alte mann mittlerweile das unvermeidliche bundesverdienstkreuz (eine art bundesdeutscher leni- oder leninorden) erhalten hat, diskutiert und schreibt er munter weiter. was andere menschen mitunter von seinem buch romantik. eine deutsche affaere halten, ist hier zu besichtigen:

http://blogjournalisten.com/panorama/lesen-und-lesen-lassen-2/

viel spass beim weiteren versumpfen!

2009-11-05

EIN GRUND ZUM FEIERN...

...für alle, die es mit der Trennung von Staat und Religion ernst meinen. Als nächstes steht dann die Forderung nach Rückgabe des von der katholische Kirche / ROM AG geraubten Geldes an.

Gerichtshof für Menschenrechte gegen Kreuz im Klassenraum:
Bayerische Empörung über Kruzifix-Urteil

04. Nov 13:20

Als Symbol für gemeinsame europäische Werte hat CSU-Europaministerin Müller das christliche Kreuz bezeichnet. Vehement kritisiert sie das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte: Ein Kruzifix in einer italienischen Schule verletzt demnach die Religionsfreiheit.Bayerische Politiker haben mit Kritik und Unverständnis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) reagiert, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer italienischen Staatsschule die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Europaministern Emilia Müller (CSU) sagte: «Die Straßburger Richter erweisen dem Menschenrechtsgedanken mit ihrem Spruch einen Bärendienst». Das Kreuz stehe als Symbol für die Nächstenliebe und für die gemeinsamen europäischen Werte, die in einer langen Tradition gewachsen seien. «Das Kreuz in den Klassenzimmern drückt dieses gemeinsame Wertefundament aus.»

Bayern hat Erfahrungen mit derlei Streitfällen: 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht die Anordnung in der bayerischen Volksschulordnung zur Anbringung von Kreuzen als verfassungswidrig aufgehoben. Die Regelung verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht, befanden die Karlsruher Richter damals. Der Landtag beschloss daraufhin ein Gesetz, das auch nach dem Karlsruher Urteil Kreuze vorschreibt. Es enthält aber erstmals eine Regelung zum Umgang mit Konfliktfällen.
Mit Unverständnis reagierte auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auf das aktuelle Straßburger Kruzifix-Urteil: «Unser gemeinsames Europa ist christlich geprägt. Deshalb haben auch unsere christlichen Symbole ihren Platz in der Öffentlichkeit.» In Bayern herrsche «ein Gleichgewicht zwischen staatlicher Neutralität und unverzichtbarer christlicher Wertorientierung», sagte Dobrindt weiter. Nach Auffassung von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) steht das Urteil im Einklang mit der Praxis in Bayern. «Kreuze werden auch künftig in Bayerns Klassenzimmern hängen», teilte Spaenle in München mit.

Kardinal: «radikal antieuropäisch»
Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, bezeichnete das Urteil als «radikal antieuropäisch». In der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» forderte er christliche Politiker auf, ihre Stimme gegen das Straßburger Urteil zu erheben.
Wer Europa von Spanien bis Moskau bereise, stoße überall auf das Kreuz als Zeichen des «gemeinsamen Erbes das den Kontinent vereint hat», betonte der Kardinal. Kasper beklagte Versuche, «eine Realität aufzubauen, die nicht mehr Europa ist, denn ohne Christentum ist es nicht mehr Europa».

Der EGMR war am Dienstag zu dem Urteil gekommen, ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer Staatsschule verletze nicht nur die Religionsfreiheit der Schüler, es nehme zudem den Eltern die Freiheit, ihre Kinder nach ihren philosophischen Überzeugungen zu erziehen, und sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar.

Einstimmiges Urteil
Die Richter gaben damit einstimmig einer Italienerin Recht, die bis in höchste Instanzen mit dem Versuch gescheitert war, ihre Kinder in Räumen ohne religiöse Symbole unterrichten zu lassen. Das Gericht sprach der aus Finnland stammenden Klägerin Soile Lautsi 5000 Euro Entschädigung zu. Die streitbare Frau hatte im Schuljahr 2001/02 von der Schule ihrer damals 11 und 13 Jahre alten Kinder in Abano Terme verlangt, die Kreuze im Klassenraum zu entfernen. Sie berief sich dabei auf ein Urteil des italienischen Kassationsgerichts, dem zufolge Kreuze in Wahlbüros gegen die religiöse Neutralität des Staates verstoßen.

Die obersten Richter Italiens wiesen die Klage 2006 jedoch ab, weil das Kreuz ein Symbol der Geschichte und Identität des Landes sei. Der Staat argumentierte, das Kreuz sei als «Flagge» der einzigen in der Verfassung erwähnten Religion auch ein Symbol des Staates.
Der EGMR wies dies zurück. Die Schüler könnten das Kreuz leicht als religiöses Zeichen interpretieren. Die Freiheit, keiner Religion anzugehören, brauche besonderen Schutz. Es sei nicht zu erkennen, wie das Zeigen eines «Symbols, das vernünftigerweise mit dem Katholizismus verbunden werden kann», dem für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen Bildungspluralismus dienen könne. (dpa/epd/nz)

http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1508940.html