2010-06-13

STUNDEN DER WUT

die grosse demonstration in berlin fand unter meiner regen teilnahme statt. ich bemühte mich, nicht neben der ddr-fahne her zu laufen. das gelang mir gut. ich versuchte die beste musik zu finden, um die stunden im nieselregen entspannt zu geniessen. leider gab es nur mittelmässige musik. das wetter war miserabel. das machte mich wütend. ich war am rande beteiligt, denn ich lief ja mit. die meisten sprechchöre krankten an mangelndem rhythmusgefühl. versmass schien den meisten rufern in der politischen wüste ein fremdwort zu sein, zumindest an diesem nachmittag. was solls, mögen sie gedacht haben, schliesslich geht es um einen guten zweck. nein, wollte ich ihnen zurufen, auch die form fordert ihren tribut, mindestens von meinen ohren. ich litt wie ein tier, wie ein politisches tier. es ging nicht nur um einen guten zweck, sondern auch rund um den bezirk mitte, um das kulturelle zentrum der haupstadt. wer einkaufen gehen wollte, ging einkaufen, die agitatorischen belästigungen am alexa gelangen, soweit ich das beobachten konnte, kaum. dann und wann rannten behelmte polizisten, die eben noch neutral bis lustlos neben dem zug hergetrotteten, durch die gegend, um für ihr geld eine leistung abzuliefern. ein hoch auf die tagesschau. irgendwann stand ich in der torstrasse und es ging weder vor noch zurück. es regnete immer stärker, es kühlte ab, es zog mich zum heimischen fernseher. nigeria gegen argentinien, ein kracher, dachte ich. da hätte ich ruhig weiter im regen auf der torstrasse stehen können. hinterher ist man immer schlauer. wir waren zwanzigtausend.

| thomas wettengel © 2010-06-13 |

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