2010-04-30

WOCHENENDE

das wetter sagt: ich bin der frühling.

die kapuze sagt: hasch mich.

der kaputte sagt: ganz oder gar nicht.

der vietnamese sagt: ich feiere heute auch oder auch nicht. fünfunddreissig jahre sind kein pappenstiel.

der autobesitzer sagt: ich bin dann mal weg.

der polizist sagt: ich geh mich mal umziehen.

das telefon sagt: nichts.

der hund sagt: wuff. und vielleicht noch: wuff.


| thomas wettengel © 2010-04-30 |

2010-04-26

ARBEIT MACHT ARBEIT 2

arbeit macht auch nach 10 stunden arbeit noch arbeit, auch wenn es sich um korrekturarbeiten handelt. wer selbst schon eine abschlussarbeit geschrieben hat, wird wissen, was es heisst, eine woche lang 14 stunden täglich zu arbeiten. wenn einem am letzten tag jemand als helfendes auge und nützliche hand zuarbeitet, motiviert, dann wird die arbeit nicht weniger, aber sie wird eine andere.

arbeit, wenn sie ganze tage andauert, ist eine lebenszeit. auch unbezahlte arbeit ist lebenszeit, keine frage. in diese lebenszeit passen auch gut gewürzter kartoffelsalat und raucherpausen gut hinein. natürlich wird viel gelacht, und zwischen den pausen das pensum heruntergeschrubbt.

anderes als die arbeit kommt zur sprache, versteckt gehaltene einfälle, alte und neue witze, dergleichen mehr. das alles macht sehnsucht nach arbeit, die etwas anderes ist als pausenlose plackerei.

und wäre ich auch arbeitslos, ich wäre nie die arbeit los. freilich bin ich arbeitslos, doch bin ich nicht die arbeit los. die offizielle, offiziöse arbeitslosigkeit meint ja die abhängige erwerbsarbeit. abhängige kartoffelsalatsarbeit ist damit nicht gemeint. irgendeinem amtsgehirn ist einst dieser begriff entfallen: arbeitslosigkeit. anders kann es nicht gewesen sein.

und doch hat dieser begriff mehr spielraum, als es auf den ersten blick scheint. es gibt auch lose arbeit, im unterschied zu fester, das ist der gedanke, der sich nach einigem starren aufs wort einstellt, wenn die buchstaben verschwimmen und die weltbilder baden gehen.

lose arbeit, gewinne kartoffelsalat, rette leben!

| thomas wettengel © 2010-04-26 |

2010-04-11

JEDER FREUND IST ANDERS

dem ist nicht viel hinzuzufügen. kein freund fügt sich in ein festes schema. es scheint mir, dass jeder meiner freunde auf eigene, eigentümliche weise sein vom wem auch immer aufgetragenes leben abträgt, gräbt nach dem, was da ist oder nicht ist.

ich bin immer wieder erstaunt über kleine verhaltensweisen, die ich gern übernehme und die mich zu einer mischung, einem amalgam meiner freunde machen.

freunde sind mir die wichtigste schule des lebens geworden.

sie stellen mich vor immer neue rätsel, die sie mit immer neuen verzierungen ausschmücken.

meine freunde sind mehr als alles in allem. mathematik war nie meine stärke. schach, was ich seit einiger zeit häufiger spiele, auch nicht.

die umständliche formulierung der wahlverwandtschaften, die goethe aus der chemie seiner zeit entlehnte, trifft es nur von ungefähr, und sie trifft ungefähr vorbei, denn die geheimnisse von freundschaften sind nicht zu treffen. jeder meiner freunde, was heisst hier "meine", verfolgt unterschiedliche, feste und bewegliche ziele.

ich mache freunden gern geschenke, die mal freilwillig, mal unfreiwillig rätselhaft sind. ich versuche sie mit skurrilen gesten.

eltern sind die schwierigsten freunde. dieser satz beschreibt einen idealfall, also ein unding.

ohne meine freunde wäre ich nichts als eine traurige figur bei romero.


| thomas wettengel © 2010-04-11 |

2010-04-07

AUS.GEBILDET

Wer wissen will, warum er/sie falsch studiert hat, der lese Ralf Klausnitzers Artikel im FREITAG. Wer wissen will, warum ein Geisteswissenschaftler keine große Lesergemeinde findet, ebenso. Wie sollen Wissenschaftler entscheiden,

ob Tagungsthemen wie 'Literatur und Nichtwissen' oder 'Die Diziplinierung der Wahrnehmung in Mediengesellschaften von der Antike bis in die Gegenwart' tatsächlich einer längerfristig entwickelten Problemstellung entstammen oder lediglich auf den durchfahrenden Zug konjunktureller Aufmerksamkeitssteigerung aufspringen? Und wie lässt sich angesichts eines immer rascheren Wechsels von spannenden Gegenständen und ihrer binnen einer Konferenz vollzogenen Bearbeitung so etwas wie Kontinuität und Regelbewusstsein herstellen, das für Bildung als dem wichtigsten Gut einer Gesellschaft einfach unerlässlich ist und das vor allem die Investition von Zeit und Aufmerksamkeit verlangt?

Wer in den Genuss eines Grundkurses bei Ralf Klausnitzer gekommen ist, weiß, wovon die Rede ist, wenn 'Regelbewusstsein' und 'Investition von Zeit und Aufmerksamkeit' angesprochen werden. Eine Seminararbeit, mit der ich schon sehr zufrieden war, gab Ralf Klausnitzer mir zurück mit dem Hinweis, hier und dort noch einmal genau nachzusehen. 'Eine 1,0 würde ich mir selbst auch nicht geben.' (O-Ton Klausnitzer) Wer bei Ralf Klausnitzer studiert (hat), hat am eigenen Leib erfahren, was zeitliche Investitionen sind.

Ralf Klausnitzer beschreibt die 'Kampfzone', in der sich die Protagonisten des Wissenschaftsbetriebs permanent zu positionieren haben. Sarkastisch positioniert sich auch Klausnitzer - indem er das Konzept 'Kampfzone' inklusive Tagungskultur und innovativ klingender Themenfelder als unvereinbar mit dem Konzept 'Wissen' darstellt.

Jede nachfolgende Generation muss die Chance haben, den Reflexionsstand ihrer Vorgänger zu erreichen. Was aber geschieht, wenn dieser Reflexionsstand durch das Spiel der gegenseitigen Überbietung und ständigen Erweiterung nicht mehr zu erkennen ist? Woran sollen sich Studierende halten, wenn sich ihre akademischen Lehrer als gut dotierte Fellows in Forschungszentren flüchten, um (entbunden von ihren Lehrverpflichtungen) den nächsten erkenntnistheoretischen 'turn' vorzubereiten?

Das WIE, WAS, WOHER, WOHIN und WARUM des Wissens erfordere eine 'Kultur der Aufmerksamkeit', die eben nicht durch 'riskantes Denken von Individuen' (Gumbrecht) zu leisten sei. Die Lehrveranstaltung seien die wirklich wichtigen 'Spielwiesen', auf denen - so Klausnitzers konservative Formulierung - 'Neue Ideen' gemeinsam mit den Studierenden, den zukünftigen Lehrenden, den nachgeborenen Lernenden, zu testen sind.

Ralf Klausnitzers Artikel ist ein Plädoyer für eine Generationengerechtigkeit, ja für einen Generationenvertrag, den eine selbst ernannte 'Wissensgesellschaft' bei Strafe ihres Untergangs auszuhandeln hat.

Ich selbst entschied mich, während ich noch an meiner Magisterarbeit schrieb, schon gegen eine wissenschaftliche Karriere, nicht zuletzt angesichts der ebenso hartnäckig wie eilfertig betriebenen Netzwerkerei meiner Kommilitonen. Ich befürchtete Lachattacken an den unpassendsten Stellen. Mir fehlte wohl der Ernst.

Cassirer wusste, dass Geschichte etwas ist, was wir uns erarbeiten müssen.

| thomas wettengel © 2010-04-07 |