leute, leute, die muetter, ob alleinerziehend oder verhausfraut, sind auch im blog in der uebermacht. gut, dass ich nicht zum virtuellen kaffeetrinken gezwungen werden kann. haeckeldeckchen und stempelvirus grassieren. peinliche farben und ueberbilderte aufmachungen lassen keinen zweifel aufkommen, wer hier das sagen/tratschen hat. die deutsche micheline.
blog! dich! frei!
2009-12-15
SUSANNE SCHAEDLICH: IMMER WIEDER DEZEMBER
AKTEN, AKTEN, AKTEN
Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich
Dieses Buch beschreibt einen Verrat.
Ob dieser Verrat besser beschrieben ist, wenn er „infam“ genannt wird, wie es der Rezensent in der Tageszeitung getan hat, ist zweifelhaft. Zweifelhaft ist auch, ob sich Verrat „fortpflanzt“. Wenn sich etwas fortpflanzt, dann Pflanzen. Papier nicht. Papier ist geduldig. Menschen auch nicht, sie menschen sich fort. Weil Menschen weniger geduldig sind als Pflanzen und Papier zusammen, haben sie das Verlangen nach Akteneinsicht. Zu den Akten, zu die Akten, auf die Akten.
Und siehe da, es offenbarte sich ein finsteres Geheimnis. Der väterliche Freund war ein staatlicher Onkel. Und dieser ging hin als jener und erbot sich den Häschern, behilflich zu sein. Und siehe, er ging ein und aus bei Freund und Nichte und wurde nicht erkannt. Denn er war gewappnet mit dem Schild seines Namens. Und siehe, es war ein großer Name. Er trug ihn hin zu Hinz und Kunz und sprach, öffnet. Und ihm wurde geöffnet, und er tat gut mit den Hinzen und Kunzen. Doch siehe, er war ein Doppelkopf, und er trug schnell wie der Wind im Herbst die frohe Kunde in jenes Haus, in dem die Häscher saßen. Und die Häscher waren beglückt und freuten sich ihres Daseins. Und die Arglosen bewirteten ihn und scherzten, denn er war geachtet unter ihnen. Denn sie wussten nicht, wie ihnen geschah.
Bis 1992. Da erkannte der Schriftsteller-Bruder den Historiker-Bruder als einen Büttel in Menschengestalt, und der Büttel war sehr geknickt, denn er hatte immer ein leuchtender Held sein wollen. Schluss- beziehungsweise schussendlich beförderte sich der Historiker-Bruder ins Nichts. Das tat er, nachdem er vieles vernichtet hatte. Der Täter war sein letztes Opfer, und das mag seine überlebenden Opfer freuen oder nicht oder Gefühle unbeschreibbarer Art auslösen. Das berechtigt aber einen Karl Corino in der Frankfurter Rundschau nicht zu folgendem Satz: Sein Schuss in den Mund traf das Organ, mit dem er seine Schandtaten begangen hatte. Das ist klammheimliche Freude.
So wie es nicht nur eine Zukunft, sondern dank des Konjunktivs mehrere Zukünfte gibt, so gibt es auch mehrere Vergangenheiten. Der Satz: Die Geschichte muss umgeschrieben werden, wird konkret, wenn er mich selbst betrifft. Das ist Susanne Schädlich passiert.
Eine Episode des sehr trocken, manchmal unbeholfen erzählten Erinnerungsbuchs fand in keiner der Rezensionen, die ich gelesen habe, einen Nachhall. Es handelt sich um die Phase, in der die junge Susanne Schädlich sich entschließt, in ein wirkliches Ausland zu reisen, nämlich in die USA. Um ihre große Tour zu finanzieren, geht sie arbeiten.
Es bedurfte einiger Vorbereitung, das war klar. Neben der Schneiderschule fing ich an zu jobben. Bei der Post. Ich wurde vereidigt, zusammen mit den anderen Hilfskräften für die Nacht, und wir luden Pakete in Regale, schoben Kästen mit Briefen herum, ordneten vor für die Frauen, die auf Drehstühlen hinter kleinen Regalen saßen und die Briefe nach Straßen sortierten. Eine illustre nächtliche Runde, vor allem in den Pausen. Hartgesottene und doch weichherzige Arbeiterinnen, mit einem drastischen Humor, wir die junge Brut, die es zu beschützen galt, vor allem vor dem stets betrunkenen ‚Vorsteher’, der aufpasste, dass alles seine Ordnung hatte und jede ihrer Arbeit nachging. Wir ließen uns noch einschüchtern. Die Frauen nicht. Am schönsten waren die Momente, wenn die Postkarten vorgelesen wurden. So viel Zeit musste sein, Nacht für Nacht, bevor sie in Straßennamenfächern verschwanden. (198)
Die Lust nicht nur der zukünftigen Schriftstellerin, sondern auch die der einfacher komplizierten Postarbeiterinnen an Texten, die sie nichts angehen, wird im Gestus der Selbstverständlichkeit vorgetragen. Als wäre es das normalste der Welt, dass Postkarten von Postbeamten gelesen werden. Es ist ein eigenartiges, kollektives, weiblichen, prekäres Vergnügen. Die Autorin befragt es im Verlauf des Buches nicht. Das verwundert und erschreckt. Dass großnamige Schriftstellerinnen oder weltbeste Dramatiker ihre Mitmenschen gern als Material ge- beziehungsweise missbrauchen, je nach dem Standpunkt, ist bekannt. Dieser Gefährdung sind Schreibtischtäter beziehungsweise Schreibtischtröter, je nach Aktenlage, permanent ausgesetzt. Ohne Verrat kommen sie in ihrem Geschäft nicht aus. Polizisten, Journalisten, das reimt sich. Vielleicht war es ein Versehen.
Kein Versehen war die Zuträgerei des Onkels, des Historikers in historischer Dunkelmänner-Mission. Er produzierte nicht nur Aktenmeter für die Stasi, sondern eine nachträgliche Vergangenheit für seine Mit- und Nachgeborenen. Diese befinden sich in der durchaus gewöhnlichen, perversen Situation, dass Teile ihrer Erinnerung bei der preußischen Polizei ein- und ausgelagert wurden und sind. Tagebücher brauchten in der DDR wirklich niemand zu schreiben. Diese Arbeitsteilung war garantiert. Das Eigene der Erinnerung ist, dass sie nicht eins und nicht nur eigen ist. Der Trend geht ein-eindeutig zur multiplen Erinnerung.
Es ist ein Befreiungsbuch. Und ein Befreiungsschlag sieht nicht immer schön aus. Das ist auch nicht sein Zweck. Hauptsache, er trifft. Notfalls auch einen Toten, und das ist gut so. Man soll über Tote nur Gutes sagen. Wer sagt das?
Und wer seine Schuld nennt und nennt sein Verdienst nicht
Der soll mit den Hunden wohnen als ein Hund
Und wer sein Verdienst nennt und nennt seine Schuld nicht
Der soll auch mit den Hunden wohnen. (Heiner Müller, Der Horatier)
Susanne Schädlichs Buch ist Ideologiezertrümmerung. Man soll über Tote Gutes Und Schlechtes sagen. Wenn jemand mehr Schlechtes über einen Toten zu sagen hat, hat das auch sein Gutes. Mindestens für den, der es sagt.
Es ist ein bewegendes, nicht zu anspruchsvolles Weihnachtsgeschenk. Es ist ein Buch für die ganze (ostdeutsche) Familie. Es ist schließlich Weihnachten: Und: Immer wieder Dezember.
[Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich. München: Droemer Verlag 2009, 240 Seiten, 17 Euro]
Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich
Dieses Buch beschreibt einen Verrat.
Ob dieser Verrat besser beschrieben ist, wenn er „infam“ genannt wird, wie es der Rezensent in der Tageszeitung getan hat, ist zweifelhaft. Zweifelhaft ist auch, ob sich Verrat „fortpflanzt“. Wenn sich etwas fortpflanzt, dann Pflanzen. Papier nicht. Papier ist geduldig. Menschen auch nicht, sie menschen sich fort. Weil Menschen weniger geduldig sind als Pflanzen und Papier zusammen, haben sie das Verlangen nach Akteneinsicht. Zu den Akten, zu die Akten, auf die Akten.
Und siehe da, es offenbarte sich ein finsteres Geheimnis. Der väterliche Freund war ein staatlicher Onkel. Und dieser ging hin als jener und erbot sich den Häschern, behilflich zu sein. Und siehe, er ging ein und aus bei Freund und Nichte und wurde nicht erkannt. Denn er war gewappnet mit dem Schild seines Namens. Und siehe, es war ein großer Name. Er trug ihn hin zu Hinz und Kunz und sprach, öffnet. Und ihm wurde geöffnet, und er tat gut mit den Hinzen und Kunzen. Doch siehe, er war ein Doppelkopf, und er trug schnell wie der Wind im Herbst die frohe Kunde in jenes Haus, in dem die Häscher saßen. Und die Häscher waren beglückt und freuten sich ihres Daseins. Und die Arglosen bewirteten ihn und scherzten, denn er war geachtet unter ihnen. Denn sie wussten nicht, wie ihnen geschah.
Bis 1992. Da erkannte der Schriftsteller-Bruder den Historiker-Bruder als einen Büttel in Menschengestalt, und der Büttel war sehr geknickt, denn er hatte immer ein leuchtender Held sein wollen. Schluss- beziehungsweise schussendlich beförderte sich der Historiker-Bruder ins Nichts. Das tat er, nachdem er vieles vernichtet hatte. Der Täter war sein letztes Opfer, und das mag seine überlebenden Opfer freuen oder nicht oder Gefühle unbeschreibbarer Art auslösen. Das berechtigt aber einen Karl Corino in der Frankfurter Rundschau nicht zu folgendem Satz: Sein Schuss in den Mund traf das Organ, mit dem er seine Schandtaten begangen hatte. Das ist klammheimliche Freude.
So wie es nicht nur eine Zukunft, sondern dank des Konjunktivs mehrere Zukünfte gibt, so gibt es auch mehrere Vergangenheiten. Der Satz: Die Geschichte muss umgeschrieben werden, wird konkret, wenn er mich selbst betrifft. Das ist Susanne Schädlich passiert.
Eine Episode des sehr trocken, manchmal unbeholfen erzählten Erinnerungsbuchs fand in keiner der Rezensionen, die ich gelesen habe, einen Nachhall. Es handelt sich um die Phase, in der die junge Susanne Schädlich sich entschließt, in ein wirkliches Ausland zu reisen, nämlich in die USA. Um ihre große Tour zu finanzieren, geht sie arbeiten.
Es bedurfte einiger Vorbereitung, das war klar. Neben der Schneiderschule fing ich an zu jobben. Bei der Post. Ich wurde vereidigt, zusammen mit den anderen Hilfskräften für die Nacht, und wir luden Pakete in Regale, schoben Kästen mit Briefen herum, ordneten vor für die Frauen, die auf Drehstühlen hinter kleinen Regalen saßen und die Briefe nach Straßen sortierten. Eine illustre nächtliche Runde, vor allem in den Pausen. Hartgesottene und doch weichherzige Arbeiterinnen, mit einem drastischen Humor, wir die junge Brut, die es zu beschützen galt, vor allem vor dem stets betrunkenen ‚Vorsteher’, der aufpasste, dass alles seine Ordnung hatte und jede ihrer Arbeit nachging. Wir ließen uns noch einschüchtern. Die Frauen nicht. Am schönsten waren die Momente, wenn die Postkarten vorgelesen wurden. So viel Zeit musste sein, Nacht für Nacht, bevor sie in Straßennamenfächern verschwanden. (198)
Die Lust nicht nur der zukünftigen Schriftstellerin, sondern auch die der einfacher komplizierten Postarbeiterinnen an Texten, die sie nichts angehen, wird im Gestus der Selbstverständlichkeit vorgetragen. Als wäre es das normalste der Welt, dass Postkarten von Postbeamten gelesen werden. Es ist ein eigenartiges, kollektives, weiblichen, prekäres Vergnügen. Die Autorin befragt es im Verlauf des Buches nicht. Das verwundert und erschreckt. Dass großnamige Schriftstellerinnen oder weltbeste Dramatiker ihre Mitmenschen gern als Material ge- beziehungsweise missbrauchen, je nach dem Standpunkt, ist bekannt. Dieser Gefährdung sind Schreibtischtäter beziehungsweise Schreibtischtröter, je nach Aktenlage, permanent ausgesetzt. Ohne Verrat kommen sie in ihrem Geschäft nicht aus. Polizisten, Journalisten, das reimt sich. Vielleicht war es ein Versehen.
Kein Versehen war die Zuträgerei des Onkels, des Historikers in historischer Dunkelmänner-Mission. Er produzierte nicht nur Aktenmeter für die Stasi, sondern eine nachträgliche Vergangenheit für seine Mit- und Nachgeborenen. Diese befinden sich in der durchaus gewöhnlichen, perversen Situation, dass Teile ihrer Erinnerung bei der preußischen Polizei ein- und ausgelagert wurden und sind. Tagebücher brauchten in der DDR wirklich niemand zu schreiben. Diese Arbeitsteilung war garantiert. Das Eigene der Erinnerung ist, dass sie nicht eins und nicht nur eigen ist. Der Trend geht ein-eindeutig zur multiplen Erinnerung.
Es ist ein Befreiungsbuch. Und ein Befreiungsschlag sieht nicht immer schön aus. Das ist auch nicht sein Zweck. Hauptsache, er trifft. Notfalls auch einen Toten, und das ist gut so. Man soll über Tote nur Gutes sagen. Wer sagt das?
Und wer seine Schuld nennt und nennt sein Verdienst nicht
Der soll mit den Hunden wohnen als ein Hund
Und wer sein Verdienst nennt und nennt seine Schuld nicht
Der soll auch mit den Hunden wohnen. (Heiner Müller, Der Horatier)
Susanne Schädlichs Buch ist Ideologiezertrümmerung. Man soll über Tote Gutes Und Schlechtes sagen. Wenn jemand mehr Schlechtes über einen Toten zu sagen hat, hat das auch sein Gutes. Mindestens für den, der es sagt.
Es ist ein bewegendes, nicht zu anspruchsvolles Weihnachtsgeschenk. Es ist ein Buch für die ganze (ostdeutsche) Familie. Es ist schließlich Weihnachten: Und: Immer wieder Dezember.
[Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich. München: Droemer Verlag 2009, 240 Seiten, 17 Euro]
Labels:
akten,
blogjournalisten,
blogspot,
hauptsumpf,
literatur,
rezension,
stasi,
sumpf
2009-12-07
PASCAL MERCIER: LEA
DER FLIEHENDE HOLLÄNDER. Pascal Mercier: Lea
Bieri versucht sich 2007 an einem Hochglanzroman, der nun auch als Taschenbuch erhältlich ist. Eine Novelle ist es, entgegen der Behauptung des Autors, nicht. Dagegen spricht der Umfang, dagegen spricht auch die behäbige und selbstgefällige Sprache des Textes. Zwei Männer mittleren Alters, offensichtlich ganzseitigen Anzeigen für Geländewagen und Armbanduhren entsprungen, zermürben sich wechselseitig in kultivierten Erinnerungen.
Lea ist ein Roman für gebildete Leute. Das sieht man schon an den vielen, eingestreuten englischen und französischen Sequenzen. Lea ist ein Roman von einem gebildeten Menschen, geschrieben für gebildete Menschen, der von gebildeten Menschen handelt. Es ist weniger ein Bildungsroman, sondern vielmehr ein Gebildetenroman. Wer mehrsprachig aufgewachsen ist oder eine oder mehrere Fremdsprachen spricht, kann sich seine Bildung hier bestätigen lassen. Ein Fremdwort habe ich nicht verstanden. Es heißt „Chintz“. Die Wikpedia (http://wikipedia.org/Chintz) sagt mir:
„Der Ausdruck Chintz (engl. aus Hindi) bezeichnet ursprünglich ein wachsüberzogenes, dünnes, glänzendes Baumwollgewebe in einer Leinwandbildung. Es wird heute vor allem als Dekostoff verwendet. Heute werden Kunstharze und Friktionskalandar genutzt, um einen solchen Hochglanzeffekt bei besserer Strapazierfähigkeit des Gewebes zu erreichen.“
Lea ist noch nicht als Belegstelle für „Chintz“ angeführt. Aber das kommt wahrscheinlich noch. Chintz kommt im Roman zunächst in Form von Sofakissen vor, über die die talentierte, vielleicht verzogene und später wahnsinnig werdende Lea „mit der Hand liebkosend“ fährt. „Und Chintz, viel Chintz, eine ganze Wand war mit dem glatten, verführerischen Stoff bespannt. Am liebsten würde sie in Chintz baden, sagte Lea nach der ersten Woche Unterricht.“ Pascal Mercier, das ist in bürgerlicher Ausführung Peter Bieri, ein Schweizer Schriftsteller, will den Leser mit der Nase in den Chintz stupsen. Der Leser ist ihm ein junger Dingo, der zum gebildeten Begleiter des Schriftstellers gebildet werden muss.
Dieses Prinzip der Leserführung hält der Autor konsequent durch. Der Leser wird mit der Nase auf alles gestoßen, was er mögen und nicht mögen soll. Wer es mag.
Der Taschenbuchausgabe von Lea hat der Autor ein Nachwort angehängt. Dieses Nachwort ist für ausgesprochen dumme Dingos verfasst. Hier erklärt der Autor in einer Liebenswürdigkeit, die er besser vermieden hätte, sein Buch. Weil ich Ihnen nicht das ganze Nachwort nacherzählen will, führe ich Ihnen nur die ersten Sätze vor. Als Deutscher bin ich von Haus aus zum Hundeführer begabt.
„Dieses Buch handelt von einer Erfahrung, die wir uns ungern eingestehen: Auch diejenigen Menschen, mit denen wir durch große Intimität verbunden sind, können uns fremd werden.“ Ja, warum auch nicht.
„Dieses Thema war in meinen Romanen stets gegenwärtig, doch eher auf indirekte Weise.“ Er preist seinen neuen Roman als ein furchtloses Enthüllungsbuch an. Ein Interview wäre viel lustiger gewesen.
„Wie ließ sich das Thema am besten instrumentieren?“ Damit auch der letzte Leser merkt, dass Musikinstrumente vorkommen. Dieser Autor spricht außerdem gern über seine Fähigkeiten. Und er spricht durch die Blume.
„Es lag nahe, der Erzählung die Form einer Tragödie zu geben: Jemand handelt aus bester Absicht und führt gerade dadurch eine Katastrophe herbei.“ Es soll Leute geben, die meinen, dass es egal ist, wie jemand handelt, weil: am Ende stirbt er doch. Manche halten das für tragisch genug. Wie kann ein Roman eine Erzählung, ein Instrumentiertes und dann noch eine Tragödie sein? Ein bisschen spannend muss es ja bleiben.
„Aus welcher Perspektive sollte die Geschichte erzählt werden?“ Wie gesagt, ein Interview wäre lustiger gewesen.
„Die Lösung war, eine neue Figur einzuführen, die dem Vater zuhörte.“ Der Vater erzählt einem Fremden die Geschichte seiner Tochter, und der Fremde kommentiert das dann. So wird die Geschichte der Tochter sozusagen einem Mittelsmann berichtet, der sie dem Leser vermittelt. Tja. Das Leiden der Anderen.
„Die beiden Männer sind Naturwissenschaftler, die von sich sagen, sie hätten die Sprache der Gefühle nicht gelernt.“ Sie kennen auch keine Schimpfwörter. Nur Lea kennt welche.
Das sind schöne Gegenden, von denen Herr Mercier erzählt. Das Problem ist, dass er an jeden Absatz ein Vorwort und ein Nachwort pappt. So weiß der Leser nach einigen Seiten nicht mehr, was Vorwort, was Nachwort, und was Roman ist.
Kapitel sieben ist ein schlimmes Beispiel. Da berichtet der Vater, der letztlich auch stirbt und zwar durch sich selbst, dem Fremden von einer verlorenen Bewegung, die er an seiner Tochter bemerkt. Heiner Müller, als er noch lebte, sagte über die Texte Kafkas, dass dieser Gesten ohne Bezugssystem beschreibe. Der Autor von Lea belästigt den Leser mit Bezugssystemen. Auch traut er einem Naturwissenschaftler, selbst wenn er Vater ist, keinen kalten, fremden, wissenschaftlichen, keinen außerirdisch interessierten Blick auf diese Bruchstücke, die einst seine Tochter waren, zu. Die Figur wirkt nicht durchdacht.
Wenn Bernhard Walcher (literaturkritik 7/2007) den Roman des Schweizer Professors in eine Traditionslinie mit Grimmelshausen und seinem „Simplicissimus“ stellt, sagt das mehr über die Sehnsüchte des Rezensenten als über Bieris Buch. Grimmelshausens Figur ist ja keine Aussteiger-, sondern eine Mitmacher-Figur, die mehr Ähnlichkeiten mit dem Hundehändler Schweijk als mit dem Biokybernetikers van Vliet aufweist.
Lea ist ein Künstlerroman, geschrieben von einem Wiedergänger Gottfried Kellers, ein wenig zu höflich und zu langatmig. Wer allerdings wissen will, warum Musiker ihre Instrumente zerschmettern, kann hier einiges über die Gründe und Abgründe dieser Geste erfahren.
[Pascal Mercier: Lea. Novelle, 256 Seiten, Taschenbuchausgabe von 2009 für 9 Euro]
Bieri versucht sich 2007 an einem Hochglanzroman, der nun auch als Taschenbuch erhältlich ist. Eine Novelle ist es, entgegen der Behauptung des Autors, nicht. Dagegen spricht der Umfang, dagegen spricht auch die behäbige und selbstgefällige Sprache des Textes. Zwei Männer mittleren Alters, offensichtlich ganzseitigen Anzeigen für Geländewagen und Armbanduhren entsprungen, zermürben sich wechselseitig in kultivierten Erinnerungen.
Lea ist ein Roman für gebildete Leute. Das sieht man schon an den vielen, eingestreuten englischen und französischen Sequenzen. Lea ist ein Roman von einem gebildeten Menschen, geschrieben für gebildete Menschen, der von gebildeten Menschen handelt. Es ist weniger ein Bildungsroman, sondern vielmehr ein Gebildetenroman. Wer mehrsprachig aufgewachsen ist oder eine oder mehrere Fremdsprachen spricht, kann sich seine Bildung hier bestätigen lassen. Ein Fremdwort habe ich nicht verstanden. Es heißt „Chintz“. Die Wikpedia (http://wikipedia.org/Chintz) sagt mir:
„Der Ausdruck Chintz (engl. aus Hindi) bezeichnet ursprünglich ein wachsüberzogenes, dünnes, glänzendes Baumwollgewebe in einer Leinwandbildung. Es wird heute vor allem als Dekostoff verwendet. Heute werden Kunstharze und Friktionskalandar genutzt, um einen solchen Hochglanzeffekt bei besserer Strapazierfähigkeit des Gewebes zu erreichen.“
Lea ist noch nicht als Belegstelle für „Chintz“ angeführt. Aber das kommt wahrscheinlich noch. Chintz kommt im Roman zunächst in Form von Sofakissen vor, über die die talentierte, vielleicht verzogene und später wahnsinnig werdende Lea „mit der Hand liebkosend“ fährt. „Und Chintz, viel Chintz, eine ganze Wand war mit dem glatten, verführerischen Stoff bespannt. Am liebsten würde sie in Chintz baden, sagte Lea nach der ersten Woche Unterricht.“ Pascal Mercier, das ist in bürgerlicher Ausführung Peter Bieri, ein Schweizer Schriftsteller, will den Leser mit der Nase in den Chintz stupsen. Der Leser ist ihm ein junger Dingo, der zum gebildeten Begleiter des Schriftstellers gebildet werden muss.
Dieses Prinzip der Leserführung hält der Autor konsequent durch. Der Leser wird mit der Nase auf alles gestoßen, was er mögen und nicht mögen soll. Wer es mag.
Der Taschenbuchausgabe von Lea hat der Autor ein Nachwort angehängt. Dieses Nachwort ist für ausgesprochen dumme Dingos verfasst. Hier erklärt der Autor in einer Liebenswürdigkeit, die er besser vermieden hätte, sein Buch. Weil ich Ihnen nicht das ganze Nachwort nacherzählen will, führe ich Ihnen nur die ersten Sätze vor. Als Deutscher bin ich von Haus aus zum Hundeführer begabt.
„Dieses Buch handelt von einer Erfahrung, die wir uns ungern eingestehen: Auch diejenigen Menschen, mit denen wir durch große Intimität verbunden sind, können uns fremd werden.“ Ja, warum auch nicht.
„Dieses Thema war in meinen Romanen stets gegenwärtig, doch eher auf indirekte Weise.“ Er preist seinen neuen Roman als ein furchtloses Enthüllungsbuch an. Ein Interview wäre viel lustiger gewesen.
„Wie ließ sich das Thema am besten instrumentieren?“ Damit auch der letzte Leser merkt, dass Musikinstrumente vorkommen. Dieser Autor spricht außerdem gern über seine Fähigkeiten. Und er spricht durch die Blume.
„Es lag nahe, der Erzählung die Form einer Tragödie zu geben: Jemand handelt aus bester Absicht und führt gerade dadurch eine Katastrophe herbei.“ Es soll Leute geben, die meinen, dass es egal ist, wie jemand handelt, weil: am Ende stirbt er doch. Manche halten das für tragisch genug. Wie kann ein Roman eine Erzählung, ein Instrumentiertes und dann noch eine Tragödie sein? Ein bisschen spannend muss es ja bleiben.
„Aus welcher Perspektive sollte die Geschichte erzählt werden?“ Wie gesagt, ein Interview wäre lustiger gewesen.
„Die Lösung war, eine neue Figur einzuführen, die dem Vater zuhörte.“ Der Vater erzählt einem Fremden die Geschichte seiner Tochter, und der Fremde kommentiert das dann. So wird die Geschichte der Tochter sozusagen einem Mittelsmann berichtet, der sie dem Leser vermittelt. Tja. Das Leiden der Anderen.
„Die beiden Männer sind Naturwissenschaftler, die von sich sagen, sie hätten die Sprache der Gefühle nicht gelernt.“ Sie kennen auch keine Schimpfwörter. Nur Lea kennt welche.
Das sind schöne Gegenden, von denen Herr Mercier erzählt. Das Problem ist, dass er an jeden Absatz ein Vorwort und ein Nachwort pappt. So weiß der Leser nach einigen Seiten nicht mehr, was Vorwort, was Nachwort, und was Roman ist.
Kapitel sieben ist ein schlimmes Beispiel. Da berichtet der Vater, der letztlich auch stirbt und zwar durch sich selbst, dem Fremden von einer verlorenen Bewegung, die er an seiner Tochter bemerkt. Heiner Müller, als er noch lebte, sagte über die Texte Kafkas, dass dieser Gesten ohne Bezugssystem beschreibe. Der Autor von Lea belästigt den Leser mit Bezugssystemen. Auch traut er einem Naturwissenschaftler, selbst wenn er Vater ist, keinen kalten, fremden, wissenschaftlichen, keinen außerirdisch interessierten Blick auf diese Bruchstücke, die einst seine Tochter waren, zu. Die Figur wirkt nicht durchdacht.
Wenn Bernhard Walcher (literaturkritik 7/2007) den Roman des Schweizer Professors in eine Traditionslinie mit Grimmelshausen und seinem „Simplicissimus“ stellt, sagt das mehr über die Sehnsüchte des Rezensenten als über Bieris Buch. Grimmelshausens Figur ist ja keine Aussteiger-, sondern eine Mitmacher-Figur, die mehr Ähnlichkeiten mit dem Hundehändler Schweijk als mit dem Biokybernetikers van Vliet aufweist.
Lea ist ein Künstlerroman, geschrieben von einem Wiedergänger Gottfried Kellers, ein wenig zu höflich und zu langatmig. Wer allerdings wissen will, warum Musiker ihre Instrumente zerschmettern, kann hier einiges über die Gründe und Abgründe dieser Geste erfahren.
[Pascal Mercier: Lea. Novelle, 256 Seiten, Taschenbuchausgabe von 2009 für 9 Euro]
2009-11-30
NEUES MUSEUM
ich hatte mich zwei tage zuvor mit r. und m. für diesen samstag verabredet. wir wollten gemeinsam ins neue museum auf der museumsinsel gehen. ich hatte sofort zugesagt, als r. mich anrief. ich war schon monatelang nicht mehr im museum gewesen, in keinem alten und in keinem neuen. als ich am samstagnachmittag die grosse schlange vor dem eingang unter den kolonnaden sah, dachte ich, dass es doch keine gute idee ist, sich am wochenende an einem touristenziel zu verabreden. den tag über hatte ich mit dem gedanken gespielt, den beiden einfach abzusagen. ein fadenscheiniger grund würde sich schon finden.
ich stand also auf der oberen plattform einer riesigen, zweiflügligen treppe, die auch ein grösseres haus vertragen hätte, und wartete. ich sah sie kommen, herumstehen, sich umsehen. ich rief r. auf seinem mobiltelefon an und dirigierte ihn, bis er mich sah. ich winkte huldvoll. der tag war gerettet, befand ich, als ich die treppe hinunterschritt.
wie sich herausstellte, hatten r. und m. ebenfalls keine lust aufs neue museum. sie waren am vormittag auch schon in einem möbelmarkt und in einem einrichtungshaus gewesen. das wahre neue museum, sagte ich, in tausend jahren landet alles im ethnologischen museum, auf welchem planeten auch immer. um den beiden die letzten zweifel an der gestaltung des nachmittags zu nehmen, schätzte ich die aktuelle wartezeit am neuen museum auf eine stunde. das half.
wir flanierten, zukünftige fundstücke einer archäologie nach uns, in richtung eines italieners am alexanderplatz, nicht ohne den gedrängten weihnachtsmarkt zu durchqueren und quarkkeulchen zu essen. m. protestierte, er habe bereits gestern welche gegessen, aber es half nichts. ich war in spendierlaune. zehn quarkkeulchen zu fünf euro, da musste ich zuschlagen. unter dem plastevordach des italieners angekommen, wärmte ich meinen rücken an einem heizpilz. ich hatte den besten platz ergattert, blick aufs treiben draussen. kaum hatten wir unsere bestellungen aufgegeben, m. und r. je ein bier, ich einen doppelten espresso, als sich ein gasflaschenlieferant an besagtem heizpilz zu schaffen machte. als ich r.s verängstigtes gesicht sah, ergriff ich die gelegenheit. in richtung von m. machte ich andeutungen über die gefahren des rauchens in gegenwart von propangasflaschen. dem blasser werdenden r. versicherte ich von uns würde nichts übrigbleiben, er könne sich in ruhe seine letzte zigarette entzünden. man würde uns höchstens anhand des zahnstands identifizieren können. oder des kontostands, meinte m. genau, sagte ich richtung r., das geht ganz schnell und du merkst gar nichts. m. lachte.
mit der dunkelheit kam der regen und ein gespräch über telefonverträge, weihnachtsgeschenke und waschmaschinen. menschen hetzten vorbei, bunte lichter blinkten, und um r., der mittlerweile weiss wie papier war, aufzumuntern und ihn meiner sympathie zu versichern, sagte ich: kirchner, und wies nach draussen. in meinem gehirn spukte das wort: pompeji herum.
ich stand also auf der oberen plattform einer riesigen, zweiflügligen treppe, die auch ein grösseres haus vertragen hätte, und wartete. ich sah sie kommen, herumstehen, sich umsehen. ich rief r. auf seinem mobiltelefon an und dirigierte ihn, bis er mich sah. ich winkte huldvoll. der tag war gerettet, befand ich, als ich die treppe hinunterschritt.
wie sich herausstellte, hatten r. und m. ebenfalls keine lust aufs neue museum. sie waren am vormittag auch schon in einem möbelmarkt und in einem einrichtungshaus gewesen. das wahre neue museum, sagte ich, in tausend jahren landet alles im ethnologischen museum, auf welchem planeten auch immer. um den beiden die letzten zweifel an der gestaltung des nachmittags zu nehmen, schätzte ich die aktuelle wartezeit am neuen museum auf eine stunde. das half.
wir flanierten, zukünftige fundstücke einer archäologie nach uns, in richtung eines italieners am alexanderplatz, nicht ohne den gedrängten weihnachtsmarkt zu durchqueren und quarkkeulchen zu essen. m. protestierte, er habe bereits gestern welche gegessen, aber es half nichts. ich war in spendierlaune. zehn quarkkeulchen zu fünf euro, da musste ich zuschlagen. unter dem plastevordach des italieners angekommen, wärmte ich meinen rücken an einem heizpilz. ich hatte den besten platz ergattert, blick aufs treiben draussen. kaum hatten wir unsere bestellungen aufgegeben, m. und r. je ein bier, ich einen doppelten espresso, als sich ein gasflaschenlieferant an besagtem heizpilz zu schaffen machte. als ich r.s verängstigtes gesicht sah, ergriff ich die gelegenheit. in richtung von m. machte ich andeutungen über die gefahren des rauchens in gegenwart von propangasflaschen. dem blasser werdenden r. versicherte ich von uns würde nichts übrigbleiben, er könne sich in ruhe seine letzte zigarette entzünden. man würde uns höchstens anhand des zahnstands identifizieren können. oder des kontostands, meinte m. genau, sagte ich richtung r., das geht ganz schnell und du merkst gar nichts. m. lachte.
mit der dunkelheit kam der regen und ein gespräch über telefonverträge, weihnachtsgeschenke und waschmaschinen. menschen hetzten vorbei, bunte lichter blinkten, und um r., der mittlerweile weiss wie papier war, aufzumuntern und ihn meiner sympathie zu versichern, sagte ich: kirchner, und wies nach draussen. in meinem gehirn spukte das wort: pompeji herum.
2009-11-27
SKLAVENARBEIT
Supermärkte setzen Null-Euro-Jobber ein
26. Nov 10:54
Ein-Euro-Jobber? Ach was, es geht noch billiger. In einigen Supermärkten stehen inzwischen an den Kassen Einpackhilfen, die am besten sehr freundlich zu den Kunden sein sollten. Denn: Außer Trinkgeld gibt's nichts.Nach Deutschland schwappt jetzt eine neue Variante der Niedriglohn-Beschäftigung aus den USA herüber. Wie das Wirtschaftsmagazin «Impulse» berichtet, packen Schüler und Studenten bereits an einer ganzen Reihe von Supermarkt-Kassen die Einkaufstüten und bekommen dafür nichts außer Trinkgeld von den Kunden.
Vermittler der Einpackhilfen sei das Ingolstädter Unternehmen Friendly Service, das dafür pro Person und Stunde drei bis fünf Euro von Läden kassiere. Die Helfer sind laut «Impulse» selbstständig und haben einen Vertrag mit Firmenchef Martin Lettenmeier. Zu den Kunden von Lettenmeier zählten bislang 32 Läden der Edeka-Gruppe – vor allem in Bayern, zwei in Berlin und einer in Dresden. In Hamburg laufe gerade ein Test bei der Drogeriekette Budnikowsky.
«Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ist das eine geniale Idee», sagte er dem Magazin zufolge. Lettenmeier gesteht demnach aber auch ein, dass es sich dabei um «ein brutal kapitalistisches System» handelt. Von ihm erhalten die Einpackhilfen lediglich ein Regelhandbuch. Bei der Schichteneinteilung achte er zudem darauf, dass keine Sozialabgaben und Steuern für die Trinkgeld-Empfänger anfallen.
Nach eigenen Angaben von Friendly Service bietet das Unternehmen seit Ende April 2006 den Einpackservice an. Mitarbeiter sind vor allem Schüler und Studenten, die an den Kassen an ihren knallgelben T-Shirts zu erkennen sind. Auf der Firmen-Website erzählen einige Einpacker «ihre schönsten Erlebnisse» – etwa von Stammkunden, die auch mal Geld geben, wenn sie nur wenig eingekauft haben und keine Hilfe benötigen. Oder der Einpacker Ümit Celik, der von einem Kunden einen Euro bekam mit dem Satz «Aber nicht für Alkohol ausgeben!» (nz)
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/1522039.html
26. Nov 10:54
Ein-Euro-Jobber? Ach was, es geht noch billiger. In einigen Supermärkten stehen inzwischen an den Kassen Einpackhilfen, die am besten sehr freundlich zu den Kunden sein sollten. Denn: Außer Trinkgeld gibt's nichts.Nach Deutschland schwappt jetzt eine neue Variante der Niedriglohn-Beschäftigung aus den USA herüber. Wie das Wirtschaftsmagazin «Impulse» berichtet, packen Schüler und Studenten bereits an einer ganzen Reihe von Supermarkt-Kassen die Einkaufstüten und bekommen dafür nichts außer Trinkgeld von den Kunden.
Vermittler der Einpackhilfen sei das Ingolstädter Unternehmen Friendly Service, das dafür pro Person und Stunde drei bis fünf Euro von Läden kassiere. Die Helfer sind laut «Impulse» selbstständig und haben einen Vertrag mit Firmenchef Martin Lettenmeier. Zu den Kunden von Lettenmeier zählten bislang 32 Läden der Edeka-Gruppe – vor allem in Bayern, zwei in Berlin und einer in Dresden. In Hamburg laufe gerade ein Test bei der Drogeriekette Budnikowsky.
«Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ist das eine geniale Idee», sagte er dem Magazin zufolge. Lettenmeier gesteht demnach aber auch ein, dass es sich dabei um «ein brutal kapitalistisches System» handelt. Von ihm erhalten die Einpackhilfen lediglich ein Regelhandbuch. Bei der Schichteneinteilung achte er zudem darauf, dass keine Sozialabgaben und Steuern für die Trinkgeld-Empfänger anfallen.
Nach eigenen Angaben von Friendly Service bietet das Unternehmen seit Ende April 2006 den Einpackservice an. Mitarbeiter sind vor allem Schüler und Studenten, die an den Kassen an ihren knallgelben T-Shirts zu erkennen sind. Auf der Firmen-Website erzählen einige Einpacker «ihre schönsten Erlebnisse» – etwa von Stammkunden, die auch mal Geld geben, wenn sie nur wenig eingekauft haben und keine Hilfe benötigen. Oder der Einpacker Ümit Celik, der von einem Kunden einen Euro bekam mit dem Satz «Aber nicht für Alkohol ausgeben!» (nz)
http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/1522039.html
Labels:
arbeit,
ausbeutung,
niedriglohn,
sklaven,
supermarkt
2009-11-19
NACH DER MODERNE IST VOR DER MODERNE
was die eingefleischten untoten immer wussten. der weg fuehrt ins nichts, wieder zurueck, und egal, wo man abbiegt, wieder ins nichts, undsoweiter. das ist nun auch wissenschaftlern auf ihrer suche nach schillers schaedel auf (ihren schaedel) gefallen.
zweifel an der echtheit des schaedels gab es schon frueh. anlass dafuer gaben die umstaende der bestattung in einem massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten, die bergung des vermeintlichen schiller-skeletts und die umbettung in die fuerstengruft. in dem gewoelbe herrschte ein 'chaos von moder und faeulnis' bemerkte der buergermeister carl leberecht schwabe 1826 nach seinen bemuehungen, die ge(h)beine schillers anhand der totenmaske zu identifizieren. fast 100 jahre spaeter wurde ein zweiter schaedel geborgen und schiller zugeordnet. seitdem hat die frage um die echtheit der koepfe den streit unter wissenschaftlern immer wieder neu entflammen lassen. (die zeit, 19.11.2009)
ein massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten - die auswuechse des anhaltenden promi-staus werden hier deutlich sicht- und ruchbar. der einfache vor(n)schlag zur hervorfindung der echtheit des kopfes der schillernden persoenlichkeit des schiller: man schlage (stecke) nach neandertaler art beide koepfe zusammen. wer uebrig bleibt, hat gewonnen, oder einen interessanten splitter fuer die persoenliche vitrine.
keine literatur ist an fragmenten so reich wie die deutsche. (heiner mueller)
zweifel an der echtheit des schaedels gab es schon frueh. anlass dafuer gaben die umstaende der bestattung in einem massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten, die bergung des vermeintlichen schiller-skeletts und die umbettung in die fuerstengruft. in dem gewoelbe herrschte ein 'chaos von moder und faeulnis' bemerkte der buergermeister carl leberecht schwabe 1826 nach seinen bemuehungen, die ge(h)beine schillers anhand der totenmaske zu identifizieren. fast 100 jahre spaeter wurde ein zweiter schaedel geborgen und schiller zugeordnet. seitdem hat die frage um die echtheit der koepfe den streit unter wissenschaftlern immer wieder neu entflammen lassen. (die zeit, 19.11.2009)
ein massengrab fuer angesehene persoenlichkeiten - die auswuechse des anhaltenden promi-staus werden hier deutlich sicht- und ruchbar. der einfache vor(n)schlag zur hervorfindung der echtheit des kopfes der schillernden persoenlichkeit des schiller: man schlage (stecke) nach neandertaler art beide koepfe zusammen. wer uebrig bleibt, hat gewonnen, oder einen interessanten splitter fuer die persoenliche vitrine.
keine literatur ist an fragmenten so reich wie die deutsche. (heiner mueller)
2009-11-17
SAFRANSKI
fuer den philosophen ruediger safranski beginnt in den 1960er jahren die gegenwart und endet zugleich das romantische als bewegung. safranski ist deshalb immer, wenigstens sich selbst, zeitgemaess, weil er, einmal stehen geblieben, seinen zeitpunkt breit tritt und die moeglichen zukuenfte um sich spritzen laesst. er ist seine eigene zeit, und was nach ihm kommt, hat (ihm) nichts zu sagen.
http://www.youtube.com/watch?v=88teMWNl7n0
trotzdem der alte mann mittlerweile das unvermeidliche bundesverdienstkreuz (eine art bundesdeutscher leni- oder leninorden) erhalten hat, diskutiert und schreibt er munter weiter. was andere menschen mitunter von seinem buch romantik. eine deutsche affaere halten, ist hier zu besichtigen:
http://blogjournalisten.com/panorama/lesen-und-lesen-lassen-2/
viel spass beim weiteren versumpfen!
http://www.youtube.com/watch?v=88teMWNl7n0
trotzdem der alte mann mittlerweile das unvermeidliche bundesverdienstkreuz (eine art bundesdeutscher leni- oder leninorden) erhalten hat, diskutiert und schreibt er munter weiter. was andere menschen mitunter von seinem buch romantik. eine deutsche affaere halten, ist hier zu besichtigen:
http://blogjournalisten.com/panorama/lesen-und-lesen-lassen-2/
viel spass beim weiteren versumpfen!
Labels:
blogjournalisten,
literatur,
romantik,
safranski
2009-11-05
EIN GRUND ZUM FEIERN...
...für alle, die es mit der Trennung von Staat und Religion ernst meinen. Als nächstes steht dann die Forderung nach Rückgabe des von der katholische Kirche / ROM AG geraubten Geldes an.
Gerichtshof für Menschenrechte gegen Kreuz im Klassenraum:
Bayerische Empörung über Kruzifix-Urteil
04. Nov 13:20
Als Symbol für gemeinsame europäische Werte hat CSU-Europaministerin Müller das christliche Kreuz bezeichnet. Vehement kritisiert sie das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte: Ein Kruzifix in einer italienischen Schule verletzt demnach die Religionsfreiheit.Bayerische Politiker haben mit Kritik und Unverständnis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) reagiert, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer italienischen Staatsschule die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Europaministern Emilia Müller (CSU) sagte: «Die Straßburger Richter erweisen dem Menschenrechtsgedanken mit ihrem Spruch einen Bärendienst». Das Kreuz stehe als Symbol für die Nächstenliebe und für die gemeinsamen europäischen Werte, die in einer langen Tradition gewachsen seien. «Das Kreuz in den Klassenzimmern drückt dieses gemeinsame Wertefundament aus.»
Bayern hat Erfahrungen mit derlei Streitfällen: 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht die Anordnung in der bayerischen Volksschulordnung zur Anbringung von Kreuzen als verfassungswidrig aufgehoben. Die Regelung verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht, befanden die Karlsruher Richter damals. Der Landtag beschloss daraufhin ein Gesetz, das auch nach dem Karlsruher Urteil Kreuze vorschreibt. Es enthält aber erstmals eine Regelung zum Umgang mit Konfliktfällen.
Mit Unverständnis reagierte auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auf das aktuelle Straßburger Kruzifix-Urteil: «Unser gemeinsames Europa ist christlich geprägt. Deshalb haben auch unsere christlichen Symbole ihren Platz in der Öffentlichkeit.» In Bayern herrsche «ein Gleichgewicht zwischen staatlicher Neutralität und unverzichtbarer christlicher Wertorientierung», sagte Dobrindt weiter. Nach Auffassung von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) steht das Urteil im Einklang mit der Praxis in Bayern. «Kreuze werden auch künftig in Bayerns Klassenzimmern hängen», teilte Spaenle in München mit.
Kardinal: «radikal antieuropäisch»
Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, bezeichnete das Urteil als «radikal antieuropäisch». In der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» forderte er christliche Politiker auf, ihre Stimme gegen das Straßburger Urteil zu erheben.
Wer Europa von Spanien bis Moskau bereise, stoße überall auf das Kreuz als Zeichen des «gemeinsamen Erbes das den Kontinent vereint hat», betonte der Kardinal. Kasper beklagte Versuche, «eine Realität aufzubauen, die nicht mehr Europa ist, denn ohne Christentum ist es nicht mehr Europa».
Der EGMR war am Dienstag zu dem Urteil gekommen, ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer Staatsschule verletze nicht nur die Religionsfreiheit der Schüler, es nehme zudem den Eltern die Freiheit, ihre Kinder nach ihren philosophischen Überzeugungen zu erziehen, und sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar.
Einstimmiges Urteil
Die Richter gaben damit einstimmig einer Italienerin Recht, die bis in höchste Instanzen mit dem Versuch gescheitert war, ihre Kinder in Räumen ohne religiöse Symbole unterrichten zu lassen. Das Gericht sprach der aus Finnland stammenden Klägerin Soile Lautsi 5000 Euro Entschädigung zu. Die streitbare Frau hatte im Schuljahr 2001/02 von der Schule ihrer damals 11 und 13 Jahre alten Kinder in Abano Terme verlangt, die Kreuze im Klassenraum zu entfernen. Sie berief sich dabei auf ein Urteil des italienischen Kassationsgerichts, dem zufolge Kreuze in Wahlbüros gegen die religiöse Neutralität des Staates verstoßen.
Die obersten Richter Italiens wiesen die Klage 2006 jedoch ab, weil das Kreuz ein Symbol der Geschichte und Identität des Landes sei. Der Staat argumentierte, das Kreuz sei als «Flagge» der einzigen in der Verfassung erwähnten Religion auch ein Symbol des Staates.
Der EGMR wies dies zurück. Die Schüler könnten das Kreuz leicht als religiöses Zeichen interpretieren. Die Freiheit, keiner Religion anzugehören, brauche besonderen Schutz. Es sei nicht zu erkennen, wie das Zeigen eines «Symbols, das vernünftigerweise mit dem Katholizismus verbunden werden kann», dem für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen Bildungspluralismus dienen könne. (dpa/epd/nz)
http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1508940.html
Gerichtshof für Menschenrechte gegen Kreuz im Klassenraum:
Bayerische Empörung über Kruzifix-Urteil
04. Nov 13:20
Als Symbol für gemeinsame europäische Werte hat CSU-Europaministerin Müller das christliche Kreuz bezeichnet. Vehement kritisiert sie das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte: Ein Kruzifix in einer italienischen Schule verletzt demnach die Religionsfreiheit.Bayerische Politiker haben mit Kritik und Unverständnis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) reagiert, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer italienischen Staatsschule die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Europaministern Emilia Müller (CSU) sagte: «Die Straßburger Richter erweisen dem Menschenrechtsgedanken mit ihrem Spruch einen Bärendienst». Das Kreuz stehe als Symbol für die Nächstenliebe und für die gemeinsamen europäischen Werte, die in einer langen Tradition gewachsen seien. «Das Kreuz in den Klassenzimmern drückt dieses gemeinsame Wertefundament aus.»
Bayern hat Erfahrungen mit derlei Streitfällen: 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht die Anordnung in der bayerischen Volksschulordnung zur Anbringung von Kreuzen als verfassungswidrig aufgehoben. Die Regelung verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht, befanden die Karlsruher Richter damals. Der Landtag beschloss daraufhin ein Gesetz, das auch nach dem Karlsruher Urteil Kreuze vorschreibt. Es enthält aber erstmals eine Regelung zum Umgang mit Konfliktfällen.
Mit Unverständnis reagierte auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auf das aktuelle Straßburger Kruzifix-Urteil: «Unser gemeinsames Europa ist christlich geprägt. Deshalb haben auch unsere christlichen Symbole ihren Platz in der Öffentlichkeit.» In Bayern herrsche «ein Gleichgewicht zwischen staatlicher Neutralität und unverzichtbarer christlicher Wertorientierung», sagte Dobrindt weiter. Nach Auffassung von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) steht das Urteil im Einklang mit der Praxis in Bayern. «Kreuze werden auch künftig in Bayerns Klassenzimmern hängen», teilte Spaenle in München mit.
Kardinal: «radikal antieuropäisch»
Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Walter Kasper, bezeichnete das Urteil als «radikal antieuropäisch». In der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera» forderte er christliche Politiker auf, ihre Stimme gegen das Straßburger Urteil zu erheben.
Wer Europa von Spanien bis Moskau bereise, stoße überall auf das Kreuz als Zeichen des «gemeinsamen Erbes das den Kontinent vereint hat», betonte der Kardinal. Kasper beklagte Versuche, «eine Realität aufzubauen, die nicht mehr Europa ist, denn ohne Christentum ist es nicht mehr Europa».
Der EGMR war am Dienstag zu dem Urteil gekommen, ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer Staatsschule verletze nicht nur die Religionsfreiheit der Schüler, es nehme zudem den Eltern die Freiheit, ihre Kinder nach ihren philosophischen Überzeugungen zu erziehen, und sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar.
Einstimmiges Urteil
Die Richter gaben damit einstimmig einer Italienerin Recht, die bis in höchste Instanzen mit dem Versuch gescheitert war, ihre Kinder in Räumen ohne religiöse Symbole unterrichten zu lassen. Das Gericht sprach der aus Finnland stammenden Klägerin Soile Lautsi 5000 Euro Entschädigung zu. Die streitbare Frau hatte im Schuljahr 2001/02 von der Schule ihrer damals 11 und 13 Jahre alten Kinder in Abano Terme verlangt, die Kreuze im Klassenraum zu entfernen. Sie berief sich dabei auf ein Urteil des italienischen Kassationsgerichts, dem zufolge Kreuze in Wahlbüros gegen die religiöse Neutralität des Staates verstoßen.
Die obersten Richter Italiens wiesen die Klage 2006 jedoch ab, weil das Kreuz ein Symbol der Geschichte und Identität des Landes sei. Der Staat argumentierte, das Kreuz sei als «Flagge» der einzigen in der Verfassung erwähnten Religion auch ein Symbol des Staates.
Der EGMR wies dies zurück. Die Schüler könnten das Kreuz leicht als religiöses Zeichen interpretieren. Die Freiheit, keiner Religion anzugehören, brauche besonderen Schutz. Es sei nicht zu erkennen, wie das Zeigen eines «Symbols, das vernünftigerweise mit dem Katholizismus verbunden werden kann», dem für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen Bildungspluralismus dienen könne. (dpa/epd/nz)
http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1508940.html
2009-10-30
GUNTER MEINHARDT: KLANGKÖRPER
...ist nicht die wichtigste, aber eine der originellsten arbeiten dieses aufstrebenden musikjournalisten.
Alles beginnt eines Morgens im Bett des Gitarristen, der seinen Vorstellungen von der Welt nachtrauert und sich fragt, was er mit seinem Leben anfangen soll, das einfach nicht so werden will, wie er es gerne möchte. Seine Idee: Eine neue Band gründen und die Stadt rocken. Klar, dass das alles auch nicht klappt, aber langweilig wird es nicht. Undogmatische Polizisten sorgen für Verwirrung und nebenbei wird mit dem Glasauge eines Schriftstellers gekickert. Berlin mit seinen dreckigen und unbeleuchteten Ecken und ein Wetter voller Charme und Zuneigung bilden dabei den Hintergrund für die Erzählung. Und hier ist einiges los!
so etwas reisserisch der vom autor selbst verfasste klappentext dieses viel versprechenden stücks literatur, das nicht zufällig auf seite 68 endet.
es ist eine romantische erzählung, die uns hier darbgeboten wird, als schrieben wir nicht 2009, sondern 1809. es ist alles drin: roman, gedicht, essay, übersetzung, übertreibung, fussnote, fusspilz, drama, fantasie, dass die fetzen fliegen. die kapitel sprechen beinahe für sich: "intro", "peter licht am ende des tunnels", "das unglück muss überall zurückgeschlagen werden", "ringhals brinner - berlin brinner!", "die kritik ist keine leidenschaft des kopfes sie ist der kopf der leidenschaft", "der mond", "but the weltordnung is the fuck - 1 theaterstück in 1 akt", "where the wild things are", "grauzone".
die blaue blume der romantik tickt weiter im berliner sumpf. wer in 200 jahren wissen will, wie es vor 200 jahren ausgesehen haben könnte, wenn wir nur gewollt hätten, der lese dieses buch.
[gunter meinhardt: klangkörper. erzählung, berlin: selbstverlag 2009; erhältlich über die kommentarfunktion]
Alles beginnt eines Morgens im Bett des Gitarristen, der seinen Vorstellungen von der Welt nachtrauert und sich fragt, was er mit seinem Leben anfangen soll, das einfach nicht so werden will, wie er es gerne möchte. Seine Idee: Eine neue Band gründen und die Stadt rocken. Klar, dass das alles auch nicht klappt, aber langweilig wird es nicht. Undogmatische Polizisten sorgen für Verwirrung und nebenbei wird mit dem Glasauge eines Schriftstellers gekickert. Berlin mit seinen dreckigen und unbeleuchteten Ecken und ein Wetter voller Charme und Zuneigung bilden dabei den Hintergrund für die Erzählung. Und hier ist einiges los!
so etwas reisserisch der vom autor selbst verfasste klappentext dieses viel versprechenden stücks literatur, das nicht zufällig auf seite 68 endet.
es ist eine romantische erzählung, die uns hier darbgeboten wird, als schrieben wir nicht 2009, sondern 1809. es ist alles drin: roman, gedicht, essay, übersetzung, übertreibung, fussnote, fusspilz, drama, fantasie, dass die fetzen fliegen. die kapitel sprechen beinahe für sich: "intro", "peter licht am ende des tunnels", "das unglück muss überall zurückgeschlagen werden", "ringhals brinner - berlin brinner!", "die kritik ist keine leidenschaft des kopfes sie ist der kopf der leidenschaft", "der mond", "but the weltordnung is the fuck - 1 theaterstück in 1 akt", "where the wild things are", "grauzone".
die blaue blume der romantik tickt weiter im berliner sumpf. wer in 200 jahren wissen will, wie es vor 200 jahren ausgesehen haben könnte, wenn wir nur gewollt hätten, der lese dieses buch.
[gunter meinhardt: klangkörper. erzählung, berlin: selbstverlag 2009; erhältlich über die kommentarfunktion]
2009-10-28
EINAR SCHLEEF: GERTRUD
...ist vielleicht nicht das wichtigste, aber auf jeden fall das dickste buch des toten theatermanns einar schleef. es besticht durch seine ruppige sprache, klar, für die von lesebühnen- und berlinliteratur geplagten kann es eine erholung sein, wenn sie sich darauf einlassen. die gegend um sangerhausen und den kyffhäuser ist seit 500 jahren eine der wichtigsten gegenden deutschlands, und schleefs roman ist das wichtigste buch über diese gegend.
[einar schleef: gertrud. roman, frankfurt am main: suhrkamp 1983, 500 seiten für 12 €]
[einar schleef: gertrud. roman, frankfurt am main: suhrkamp 1983, 500 seiten für 12 €]
2009-10-16
ABGESCHOBEN, ABGEHOBEN
«Wir haben einen tollen Job»:
Abschiebepolizist bekommt Platin-Vielfliegerkarte
13. Okt 17:31
Vielflieger bekommen auch in Frankreich reichlich Bonusmeilen. Air France überreichte nun die begehrte Platinkarte an einen Abschiebepolizisten. Das Innenministerium hat nichts dagegen.Ein französischer Abschiebepolizist hat sich beim regelmäßigen Rückführen illegaler Ausländer eine Platin-Vielfliegerkarte der Fluggesellschaft Air France erflogen.
«Wir haben einen tollen Job, weil wir viel rumkommen und was von der Welt sehen», sagte der nicht namentlich genannte Beamte am Dienstag dem Online-Magazin «Mediapart». Die Rückführung der Ausländer halte er allerdings für wenig effizient. «Das System bringt nichts, es ist teuer, sie zurückzubringen, und die meisten von ihnen kommen ohnehin wieder», sagte er.
Das Enthüllungsblatt «Le Canard Enchaîné» hatte kürzlich berichtet, dass die Polizisten, die abgeschobene Ausländer in ihre Heimat begleiten, offiziell Bonusmeilen der Fluggesellschaften sammeln dürfen. Diese würden nicht als geldwerter Vorteil angerechnet, habe das Innenministerium entschieden.
Frankreich hat im vergangenen Jahr knapp 30.000 Ausländer ohne Bleiberecht abgeschoben, unter ihnen viele Afrikaner, die häufig in Polizeibegleitung in ihre Heimat zurückgebracht werden. Dabei kommt es nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen auch zu Gewalteinsatz. Die französische Regierung will Abschiebungen künftig verstärkt gemeinsam mit anderen EU-Staaten organisieren. (dpa)
http://www.netzeitung.de/vermischtes/1491420.html
Abschiebepolizist bekommt Platin-Vielfliegerkarte
13. Okt 17:31
Vielflieger bekommen auch in Frankreich reichlich Bonusmeilen. Air France überreichte nun die begehrte Platinkarte an einen Abschiebepolizisten. Das Innenministerium hat nichts dagegen.Ein französischer Abschiebepolizist hat sich beim regelmäßigen Rückführen illegaler Ausländer eine Platin-Vielfliegerkarte der Fluggesellschaft Air France erflogen.
«Wir haben einen tollen Job, weil wir viel rumkommen und was von der Welt sehen», sagte der nicht namentlich genannte Beamte am Dienstag dem Online-Magazin «Mediapart». Die Rückführung der Ausländer halte er allerdings für wenig effizient. «Das System bringt nichts, es ist teuer, sie zurückzubringen, und die meisten von ihnen kommen ohnehin wieder», sagte er.
Das Enthüllungsblatt «Le Canard Enchaîné» hatte kürzlich berichtet, dass die Polizisten, die abgeschobene Ausländer in ihre Heimat begleiten, offiziell Bonusmeilen der Fluggesellschaften sammeln dürfen. Diese würden nicht als geldwerter Vorteil angerechnet, habe das Innenministerium entschieden.
Frankreich hat im vergangenen Jahr knapp 30.000 Ausländer ohne Bleiberecht abgeschoben, unter ihnen viele Afrikaner, die häufig in Polizeibegleitung in ihre Heimat zurückgebracht werden. Dabei kommt es nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen auch zu Gewalteinsatz. Die französische Regierung will Abschiebungen künftig verstärkt gemeinsam mit anderen EU-Staaten organisieren. (dpa)
http://www.netzeitung.de/vermischtes/1491420.html
2009-10-12
TAG, INNEN
bei diesem wetter setze ich keinen fuss vor die tür, ich danke den erfindern der zentralheizung. am sonntag ohne sonne ist es leichter in geschlossenen räumen zu arbeiten und zu denken. die grosse graue jalousie des himmels bleibt zu, das kunstlicht ist ein ganz besonderes licht, ein denklicht.
2009-10-01
DESINFORMATION
Afghan girl killed by British leaflet drop
Wed Sep 30, 2009 12:12pm BST
LONDON (Reuters) - An Afghan girl died after a box of information leaflets -- dropped by a British military plane and intended to help the local population -- landed on top of her, the Ministry of Defence said on Wednesday.
The MoD said it had launched an investigation into the incident which occurred three months ago in a rural area of Helmand in southern Afghanistan where British troops are battling Taliban insurgents.
Civilian casualties have become an extremely sensitive issue in Afghanistan, with U.S. commander General Stanley McChyrstal warning that protecting civilians from U.S. and NATO air strikes is essential to getting the upper hand in the conflict.
Foreign Secretary David Miliband has also warned any civilian casualties were "dangerous" for the NATO-led mission.
Western forces regularly use leaflet drops to provide information and warnings to local Afghans, as well as to counter Taliban propaganda.
The girl died after being hit on June 27 by the box of leaflets, which were being regularly distributed in the run-up to presidential elections held in August.
"Sadly one of the boxes failed to fully open and on landing caused serious injuries to an Afghan child," a Royal Air Force spokesman said in a statement.
"The child was treated at the local medical facility in Kandahar where despite the best efforts of staff she died as a result of her injuries."
The MoD said it was believed to be the first time a civilian had been killed by such an airdrop of leaflets.
Britain has about 9,000 troops in Afghanistan, mainly in Helmand. Some 40 British soldiers have been killed in Afghanistan in the last two months and 218 have died there since the U.S.-led invasion in 2001, a greater death toll than during the Iraq war.
(Reporting by Michael Holden; Editing by Louise Ireland)
© Thomson Reuters 2009. All rights reserved. Users may download and print extracts of content from this website for their own personal and non-commercial use only. Republication or redistribution of Thomson Reuters content, including by framing or similar means, is expressly prohibited without the prior written consent of Thomson Reuters. Thomson Reuters and its logo are registered trademarks or trademarks of the Thomson Reuters group of companies around the world.
http://uk.reuters.com/article/idUKTRE58T25120090930?rpc=401&
Wed Sep 30, 2009 12:12pm BST
LONDON (Reuters) - An Afghan girl died after a box of information leaflets -- dropped by a British military plane and intended to help the local population -- landed on top of her, the Ministry of Defence said on Wednesday.
The MoD said it had launched an investigation into the incident which occurred three months ago in a rural area of Helmand in southern Afghanistan where British troops are battling Taliban insurgents.
Civilian casualties have become an extremely sensitive issue in Afghanistan, with U.S. commander General Stanley McChyrstal warning that protecting civilians from U.S. and NATO air strikes is essential to getting the upper hand in the conflict.
Foreign Secretary David Miliband has also warned any civilian casualties were "dangerous" for the NATO-led mission.
Western forces regularly use leaflet drops to provide information and warnings to local Afghans, as well as to counter Taliban propaganda.
The girl died after being hit on June 27 by the box of leaflets, which were being regularly distributed in the run-up to presidential elections held in August.
"Sadly one of the boxes failed to fully open and on landing caused serious injuries to an Afghan child," a Royal Air Force spokesman said in a statement.
"The child was treated at the local medical facility in Kandahar where despite the best efforts of staff she died as a result of her injuries."
The MoD said it was believed to be the first time a civilian had been killed by such an airdrop of leaflets.
Britain has about 9,000 troops in Afghanistan, mainly in Helmand. Some 40 British soldiers have been killed in Afghanistan in the last two months and 218 have died there since the U.S.-led invasion in 2001, a greater death toll than during the Iraq war.
(Reporting by Michael Holden; Editing by Louise Ireland)
© Thomson Reuters 2009. All rights reserved. Users may download and print extracts of content from this website for their own personal and non-commercial use only. Republication or redistribution of Thomson Reuters content, including by framing or similar means, is expressly prohibited without the prior written consent of Thomson Reuters. Thomson Reuters and its logo are registered trademarks or trademarks of the Thomson Reuters group of companies around the world.
http://uk.reuters.com/article/idUKTRE58T25120090930?rpc=401&
2009-09-28
FILMKRITIK
die zärtlichkeit der wölfe. ein film von ulli lommel. produziert von r w fassbinder der natürlich auch eine nebenrolle spielt und zwar die des zuhälters in nadelstreifen. raab spielt den polizeispitzel fritz haarmann der seine privilegierte position als arm der gesetzeskrake ausnützt um sich seine puppenjungs zuzuführen. die szenische rekonstruktion erfolgt mittels fassbinderdeutsch guter besetzung und kamera. der film hat mit achtzig minuten leichte unterlänge. dem zuschauer tritt der intelligente serienmörder gegenüber ganz im unterschied zum kammerspiel mit götz george. gezeigt werden die verführungskraft und die beziehungen der menschen die sie aneinander binden (manche fliegen sterben eben im leim / klappe). die würste im schreibtisch des kriminalers legen davon ebenso zeugnis ab wie die feuchtfröhliche runde deren zentrum die wirtin gespielt von brigitte mira ist. die kleine fleischfabrik des fritz haarmann steht in vielfältigen verflechtungen mit der besatzungsmacht der kriminalpolizei dem gaststättengewerbe und dem bahnhofsstrich von hannover. grundlegend für die struktur des films auch für seine formelhaft klare sprache ist die kunstkonzeption bertolt brechts. der einzeltäter ist ein produkt seiner verhältniss die auch seine träume weitgehend bestimmen. er ist angetrieben vom allgemeinmenschlichen bedürfnis nach liebe nähe und zärtlichkeit. unter den gegebenen umständen muss dieses nach nähe zur verletzung und zum tod führen. die dickliche nosferatufigur des haarmann parodiert die kreaturen langs und murnaus. wenn der mensch dem menschen ein wolf wäre gäbe es keine zwischenmenschlichen probleme. doch der werwolf von hannover weckt uralte ängste und markiert den einbruch des vormenschlichen in die menschliche gesellschaft. in von allgemeiner und besonderer prostitution gekennzeichneten gesellschaften ist der weg des gottes zur fleischwerdung abgelöst worden durch die verwurstung des menschen.
(BRD 1973 / mit kurt raab, margit carstensen, jürgen prochnow u.a.)
(BRD 1973 / mit kurt raab, margit carstensen, jürgen prochnow u.a.)
NICHT KAPIERT
war auf der wahlparty der linken in der berliner kulturbrauerei. am bierausschank regten sich einige (wahrscheinlich wähler) darüber auf, dass der bierausschenker so langsam arbeitete. darauf dieser: ich kann auch noch langsamer. darauf die biertrinker im chor: mensch du schläfst ja ein beim arbeiten. das hat ihn nicht gekümmert. ich denke, dass die eifrigen und auf schnelle abfertigung bedachten biertrinker den kommunismus nicht kapiert haben. nicht "arbeit macht frei", sondern: "freiheit beginnt, wo arbeitszeit als lebenszeit wahrgenommen wird".
2009-09-22
FILMKRITIK
nachts wenn der teufel kam. der film lebt vor allem von mario adorf in der rolle des doofen bruno, ist aber ansonsten sehr zweifelhaft, was die zuordnung von handlungen und figuren betrifft. "bestien des boulevards" (http://www.amazon.de/Bestien-Boulevards-Deutschen-ihre-Serienm%C3%B6rder/dp/3861896265) beschreibt fünfzig jahre später, wie die verwandten des doofen bruno, mit bürgerlichem namen bruno lüdke,vergeblich gegen die produzenten des films klagten. lüdke gilt heute als nachweislich unschuldig. die serie von morden, deren rekonstruktion dem sympathischen kriminaler kersten zugeschrieben wird, war wohl in wirklichkeit eine auftragsarbeit der höchsten dienststellen des faschistischen deutschland. die letzte einblendung, die die liquidierungsquittung des bruno lüdke zeigt, ist teil der strategie der verwirrung und verdunkelung, von der bis heute der grösste teil der filmindustrie lebt. ausnahmen bestätigen, brecht hat es gezeigt, die regel. die fabel dazu hat dreissig jahre vor dem emigranten siodmak der andere emigrant brecht aus den schwarzen wäldern geliefert. menschen am sonntag wollen keine unaufgeklärten serienmorde und auch keine berichte, die ein schlechtes licht auf die vertrauenspersonen werfen, denen sie ihr vertrauen geschenkt haben. die deklaration des serienmörders als massenmörder hat eine entlastende funktion für die nochfaschistische bundesrepublikanische wirtschaftswundergemeinschaft. im tod des unverständigen kraftprotzes, der das survival of the fittest dem kinobesucher auf der leinwand bestätigt, wird die eigene angepasstheit als richtiges handeln bestätigt. die hamburger und berliner dialektszenen sind von grossem filmhistorischen wert, zeigen sie die menschen doch so, wie sie selbst gern gewesen wären. sie sind der sentimentale teil des films. die gute deutsche christin, die deutsche jüdin zufälig vor der bestie, vorm doofen bruno rettet, ist die ultimative projektionsfläche für die zahlreichen unschuldigen zivilisten, die ihre uniformen verbrannt, vergessen oder umgewidmet haben. der film konnte auch von bürgern der so genannten deutschen demokratischen republik, unterm hilfsdachdecker honecker später nur noch "deutsche kratische replik", gesehen werden, die zu diesem zweck nur eine sektorengrenze der ehemaligen reichshauptstadt überqueren mussten. um den verhängnisvollen filmischen kompromiss zu korrigieren, braucht es eine neuverfilmung, und dafür braucht es einen massigen schauspieler mit einer körperintelligenz, die ein kind gebliebener erwachsener, ein goliath ist. vielleicht heisst dieser schauspieler bruno cathomas.
nachts, wenn der teufel kam (brd 1957, 101 min., regie: robert siodmak, drehbuch: werner jörg lüddecke; mit mario adorf als bruno lüdke und claus holm als kommissar axel kersten)
nachts, wenn der teufel kam (brd 1957, 101 min., regie: robert siodmak, drehbuch: werner jörg lüddecke; mit mario adorf als bruno lüdke und claus holm als kommissar axel kersten)
Labels:
deutschland,
faschismus,
film,
serienmord
2009-09-16
VERSTORBEN 2
16.09.2009, 08:32 Uhr
Zwei Stunden Vene gesucht - Hinrichtung verschoben
Washington - Eine Exekution im US-Staat Ohio ist am Dienstag verschoben worden, nachdem das Hinrichtungsteam zwei Stunden lang vergeblich nach einer Vene für die Giftspritze gesucht hatte.
Wie der Sender CNN weiter berichtete, setzte Gouverneur Ted Strickland die Prozedur für eine Woche aus - dann soll erneut versucht werden, den Häftling Romell Broom mit einer Injektion zu exekutieren.
Der heute 52-jährige Broom war wegen Entführung, Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens 1984 zum Tode verurteilt worden. Ursprünglich war seine Hinrichtung im Gefängnis von Lucasville für gestern geplant gewesen, dann jedoch aus legalen Gründen auf den Nachmittag verschoben worden. Nach Schilderungen von Brooms Anwalt Tim Sweeney hatte das Team beim Suchen nach der Vene zur Einleitung des Giftcocktails solche Mühe, dass es eine Pause einlegte.
Bereits 2006 hatte in Ohio eine Hinrichtung aus dem gleichen Grund 90 Minuten gedauert. Der Todeshäftling hatte Medienberichten zufolge während der Exekution wiederholt den Kopf geschüttelt und gesagt: «Es funktioniert nicht.»
© dpa
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/vermischtes/detail_dpa_22405342.php
Zwei Stunden Vene gesucht - Hinrichtung verschoben
Washington - Eine Exekution im US-Staat Ohio ist am Dienstag verschoben worden, nachdem das Hinrichtungsteam zwei Stunden lang vergeblich nach einer Vene für die Giftspritze gesucht hatte.
Wie der Sender CNN weiter berichtete, setzte Gouverneur Ted Strickland die Prozedur für eine Woche aus - dann soll erneut versucht werden, den Häftling Romell Broom mit einer Injektion zu exekutieren.
Der heute 52-jährige Broom war wegen Entführung, Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens 1984 zum Tode verurteilt worden. Ursprünglich war seine Hinrichtung im Gefängnis von Lucasville für gestern geplant gewesen, dann jedoch aus legalen Gründen auf den Nachmittag verschoben worden. Nach Schilderungen von Brooms Anwalt Tim Sweeney hatte das Team beim Suchen nach der Vene zur Einleitung des Giftcocktails solche Mühe, dass es eine Pause einlegte.
Bereits 2006 hatte in Ohio eine Hinrichtung aus dem gleichen Grund 90 Minuten gedauert. Der Todeshäftling hatte Medienberichten zufolge während der Exekution wiederholt den Kopf geschüttelt und gesagt: «Es funktioniert nicht.»
© dpa
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/vermischtes/detail_dpa_22405342.php
2009-09-11
VERSTORBEN
DoD Identifies Army Casualties
The Department of Defense announced today the deaths of three soldiers who were supporting Operation Iraqi Freedom. They died of wounds suffered when enemy forces attacked their vehicle with an explosive device Sept. 8 in Baji, Iraq. They were assigned to the 545th Military Police Company, Arctic Military Police Battalion, U.S. Army, Alaska, Fort Richardson, Alaska.
Killed were:
Staff Sgt. Shannon M. Smith, 31, of Marion, Ohio.
Pfc. Thomas F. Lyons, 20, of Fernley, Nev.
Pfc. Zachary T. Myers, 21, of Delaware, Ohio.
For more information the media may contact the U.S. Army, Alaska, public affairs office at (907) 384-1542.
http://www.defenselink.mil/releases/release.aspx?releaseid=12965
The Department of Defense announced today the deaths of three soldiers who were supporting Operation Iraqi Freedom. They died of wounds suffered when enemy forces attacked their vehicle with an explosive device Sept. 8 in Baji, Iraq. They were assigned to the 545th Military Police Company, Arctic Military Police Battalion, U.S. Army, Alaska, Fort Richardson, Alaska.
Killed were:
Staff Sgt. Shannon M. Smith, 31, of Marion, Ohio.
Pfc. Thomas F. Lyons, 20, of Fernley, Nev.
Pfc. Zachary T. Myers, 21, of Delaware, Ohio.
For more information the media may contact the U.S. Army, Alaska, public affairs office at (907) 384-1542.
http://www.defenselink.mil/releases/release.aspx?releaseid=12965
2009-09-01
RAVEN / TANZKULTUR
im zweiten buch seiner "metamorphosen" schildert der römische dichter ovid den raben.
seine farbe ist die strafe dafür, dass er für seine weisheiten einen lohn verlangt. der rabe ist somit der gewerkschafter und der neger unter den vögeln, ein stiefbruder des ikarus und ein bruder des prometheus. der rabe ist dazu verdammt, für immer verbrannt am himmel zu fliegen, wie prometheus, der am felsen klebt und, von seiner hoffnung beschissen, sein immer gleiches lied singt: "eine neue leber ist wie ein neues leben...".
der himmel ist der kaukasus des raben. seine farbe: schwarz, die summe aller farben.
hitchcocks lektüre der "metamorphosen" in den "birds" ist richtungsweisend, auch wenn, als zugeständnis ans business, die meisten tiere von madame tussaud stammen.
damit es nicht allzu trocken bleibt, hier der link zu einem kleinen feinen film.
torgau rules!
http://www.youtube.com/watch?v=GfIBZCIOm3s
seine farbe ist die strafe dafür, dass er für seine weisheiten einen lohn verlangt. der rabe ist somit der gewerkschafter und der neger unter den vögeln, ein stiefbruder des ikarus und ein bruder des prometheus. der rabe ist dazu verdammt, für immer verbrannt am himmel zu fliegen, wie prometheus, der am felsen klebt und, von seiner hoffnung beschissen, sein immer gleiches lied singt: "eine neue leber ist wie ein neues leben...".
der himmel ist der kaukasus des raben. seine farbe: schwarz, die summe aller farben.
hitchcocks lektüre der "metamorphosen" in den "birds" ist richtungsweisend, auch wenn, als zugeständnis ans business, die meisten tiere von madame tussaud stammen.
damit es nicht allzu trocken bleibt, hier der link zu einem kleinen feinen film.
torgau rules!
http://www.youtube.com/watch?v=GfIBZCIOm3s
Labels:
black power,
hitchcock,
rave,
weltkrieg
2009-08-29
KÜRBIS – SCHWARZE MUTTER ALLER INTEGRALHELME
Die Heimat dieser Gattung mit Gruselgarantie ist Amerika. Heute werden die domestizierten Arten weltweit in allen warmen Gebieten kultiviert.
Die Früchte, so genannte Panzerbeeren, sind vielsamig und sehr groß. Größer als ein Kopf, weshalb sie, neben der kulinarischen Verwertung, auch kulturell nutzbar sind. Aushöhlen, Löcher reinstechen, beleuchten und aufsetzen. Panzerbeeren sind ein Kulturgut.
Es gibt viele verschieden aussehende Arten mit interessanten Namen. Darunter einige gute Bekannte, die man nicht für Kürbisse halten würde, wenn man es nicht gleich besser wüsste.
Wilder Kürbis, Riesenkürbis, Hokkaidokürbis, Moschuskürbis, Birnenkürbis, Zucchini (Aha!), Spaghettikürbis (Oho!), Zierkürbis und – last but not least – Pumpkin.
In den USA heißen Pumpkins (die Mutter aller Grusel-Laternen) die Sorten mit großen, runden Früchten, die unter anderem zur Kuchen, Laternen (Jack-’o-lantern) und schreckenerregenden Masken verwendet werden, bezeichnet. Über das Ursprungsland der Pumpkins hinaus bekannt und verbreitet ist der Brauch, Kürbisse zu Laternen umzubauen. Das dazugehörige Volksfest
Ziel ist es nicht nur darum, den Kürbis möglichst grauenhaft auszustechen und zu beleuchten. Es geht auch um die nahezu ewige Frage, wer den größten – Kürbis im Vorgarten hat. Der Rekord liegt bei amtlich beglaubigten 766,1 kg. Da sind schon manche Köpfe gerollt.
Der Riesenkürbis wurde erstmals in Südamerika domestiziert. Möglich also, dass es die kriegerischen Inka waren, die erstmals unter Zuhilfenahme von biologisch abbaubaren Integralhelmen ihre Feinde in die Flucht schlugen und verschiedenfarbige Leuchtzeichen gaben.
Etymologisch geht das Wort Halloween auf All Hallows’ Even (Allerheiligenabend) zurück. Hier ist der Vorabend des Festes „Allerheiligen“ in der Nacht vom 30. Oktober auf den 1. November gemeint. Bevor die Heiligen an der Reihe sind, wird es erst einmal unheilig. Prägnanz wird eben durch Kontraste erzeugt. Das Heilige kann nur dort hell und rein strahlen, wo es verdammt finster und gruslig ist.
Schon die alten Römer kannten eine Tragödie mit dem schönen Namen „Die Verkürbissung des Kaisers Claudius“ (Seneca). Nero zwang seinen Lehrer, sich umzubringen, bevor er die Nacht zum Tage und Rom zu seinem „Personal Halloween“ machte. Seneca war das, was das Licht in den „Jack-’o-lanterns“ genannten Kürbislaternen war, für seinen finsteren Zögling Nero. Nero, wie bekannt, hatte seine eigene Art, die Nacht zum Tage zu machen. Der fiese Finsterling gilt heute allgemein als Erfinder der Straßenbeleuchtung.
Inwieweit das Fest um den keltischen Totengott Samhain damit zu tun hat, ist nicht restlos geklärt. Es liegt im Dunkeln, wie so vieles an Halloween.
Eine Quelle, die ungenannt bleiben will, spricht von der alten Donaumonarchie als dem einzig wahren Ursprung der Kürbiskultur. Das Wort „Halloween“ sei in Wahrheit österreichisch-ungarisches Kulturgut und gehe auf die Zeit der Belagerung durch die Türken im Jahre 1529 und deren kugelförmige Minen zurück. Es bedeute, und hier geht die Quelle selbst auseinander wie ein gespaltener Kürbiskopf, ursprünglich entweder so viel wie „Hallo Wien!“ oder „Hell-o-Wien!“ und stelle eine Art Schlachtruf – von Wienern oder Türken, weiß man nicht – dar.
Ein Kenner der Untoten, der selbst hin und wieder untote Dramatiker Heiner Müller, soll, als er mal wieder unter den Lebenden wandelte, einen Satz gemurmelt haben, der von tiefer Kennerschaft der Kürbiskultur zeugt: „Die Toten sind nicht tot.“ Er muss es ja wissen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Halloween
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCrbisse
http://muller-kluge.library.cornell.edu/de/video_record.php?f=103
Die Früchte, so genannte Panzerbeeren, sind vielsamig und sehr groß. Größer als ein Kopf, weshalb sie, neben der kulinarischen Verwertung, auch kulturell nutzbar sind. Aushöhlen, Löcher reinstechen, beleuchten und aufsetzen. Panzerbeeren sind ein Kulturgut.
Es gibt viele verschieden aussehende Arten mit interessanten Namen. Darunter einige gute Bekannte, die man nicht für Kürbisse halten würde, wenn man es nicht gleich besser wüsste.
Wilder Kürbis, Riesenkürbis, Hokkaidokürbis, Moschuskürbis, Birnenkürbis, Zucchini (Aha!), Spaghettikürbis (Oho!), Zierkürbis und – last but not least – Pumpkin.
In den USA heißen Pumpkins (die Mutter aller Grusel-Laternen) die Sorten mit großen, runden Früchten, die unter anderem zur Kuchen, Laternen (Jack-’o-lantern) und schreckenerregenden Masken verwendet werden, bezeichnet. Über das Ursprungsland der Pumpkins hinaus bekannt und verbreitet ist der Brauch, Kürbisse zu Laternen umzubauen. Das dazugehörige Volksfest
Ziel ist es nicht nur darum, den Kürbis möglichst grauenhaft auszustechen und zu beleuchten. Es geht auch um die nahezu ewige Frage, wer den größten – Kürbis im Vorgarten hat. Der Rekord liegt bei amtlich beglaubigten 766,1 kg. Da sind schon manche Köpfe gerollt.
Der Riesenkürbis wurde erstmals in Südamerika domestiziert. Möglich also, dass es die kriegerischen Inka waren, die erstmals unter Zuhilfenahme von biologisch abbaubaren Integralhelmen ihre Feinde in die Flucht schlugen und verschiedenfarbige Leuchtzeichen gaben.
Etymologisch geht das Wort Halloween auf All Hallows’ Even (Allerheiligenabend) zurück. Hier ist der Vorabend des Festes „Allerheiligen“ in der Nacht vom 30. Oktober auf den 1. November gemeint. Bevor die Heiligen an der Reihe sind, wird es erst einmal unheilig. Prägnanz wird eben durch Kontraste erzeugt. Das Heilige kann nur dort hell und rein strahlen, wo es verdammt finster und gruslig ist.
Schon die alten Römer kannten eine Tragödie mit dem schönen Namen „Die Verkürbissung des Kaisers Claudius“ (Seneca). Nero zwang seinen Lehrer, sich umzubringen, bevor er die Nacht zum Tage und Rom zu seinem „Personal Halloween“ machte. Seneca war das, was das Licht in den „Jack-’o-lanterns“ genannten Kürbislaternen war, für seinen finsteren Zögling Nero. Nero, wie bekannt, hatte seine eigene Art, die Nacht zum Tage zu machen. Der fiese Finsterling gilt heute allgemein als Erfinder der Straßenbeleuchtung.
Inwieweit das Fest um den keltischen Totengott Samhain damit zu tun hat, ist nicht restlos geklärt. Es liegt im Dunkeln, wie so vieles an Halloween.
Eine Quelle, die ungenannt bleiben will, spricht von der alten Donaumonarchie als dem einzig wahren Ursprung der Kürbiskultur. Das Wort „Halloween“ sei in Wahrheit österreichisch-ungarisches Kulturgut und gehe auf die Zeit der Belagerung durch die Türken im Jahre 1529 und deren kugelförmige Minen zurück. Es bedeute, und hier geht die Quelle selbst auseinander wie ein gespaltener Kürbiskopf, ursprünglich entweder so viel wie „Hallo Wien!“ oder „Hell-o-Wien!“ und stelle eine Art Schlachtruf – von Wienern oder Türken, weiß man nicht – dar.
Ein Kenner der Untoten, der selbst hin und wieder untote Dramatiker Heiner Müller, soll, als er mal wieder unter den Lebenden wandelte, einen Satz gemurmelt haben, der von tiefer Kennerschaft der Kürbiskultur zeugt: „Die Toten sind nicht tot.“ Er muss es ja wissen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Halloween
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCrbisse
http://muller-kluge.library.cornell.edu/de/video_record.php?f=103
2009-08-05
2009-08-04
DIE VERRÜCKTE
vor dem bahnhof friedrichstrasse kniet eine frau. sie ist zwischen fünfzig und sechzig jahre alt, vielleicht auch älter. sie ist dick und hat schon ganz graues, fast weisses haar. sie trägt halbschuhe, eine jeans und eine regenjacke. sie reckt die arme nach vorne und oben und murmelt leise vor sich hin. gerade als ich vorübergehe, scheint sie sich erheben zu wollen. sie macht mit dem linken bein eine art ausfallschritt, so dass sie nun auf einem bein steht und auf einem kniet. die leute, es ist ein lebhafter nachmittag unter der woche, sehen sich nach ihr um, werden aber kaum langsamer. in einige entfernung stehen menschen, die vielleicht eben noch passanten waren und gleich wieder welche werden, in kleinen gruppen oder allein. sie betrachten das schauspiel. vielleicht film auch jemand die szene, mit einem mobiltelefon oder einer versteckten kamera, vielleicht sieht ein wachmann die szene auf einem seiner monitore. da die frau nicht am boden liegt und sich zu erheben scheint, wenigstens rede ich mir das ein, setze ich meinen weg zur stadtbahn fort, tauche ein ins gewül der passagen mit ihrem lärm und den gerüchen, und bewege mich, einem tänzer gleich und sicherer als sonst, auf meinem weg durch die entgegenkommenden und meinen weg kreuzenden menschen. es war ein etwas kühler tag im mai, noch am morgen hatte es geregnet. jetzt schien zwar die sonne, aber der wind war unangenehm böig, er trieb die wolken, die sich zu gebirgen türmten, über den blauen himmel wie eisberge oder papierfetzen.
2009-08-03
UNFAIR / WORKFARE / WARFARE
(Neues Deutschland, 31.07.2009)
"ARBEITSZWANG ALS ABSCHRECKUNG. Workfare-Vertreter planen düstere Zukunft für Erwerbslose. Von Rolf Stumberger
Arbeitszwang als Drohung für Erwerbslose? Das planen die Zukunftskommissionen Bayerns und Nordrhein-Westfalens. Nun liegen die Ideen beim Wirtschaftsministerium - Vorläuferprojekte gibt es bereits.
In Meyers Konversationslexikon von 1890 ist unter dem Stichwort Arbeitshäuser zu lesen: 'Die Einrichtung des englischen Werkhauses stützt sich vorzüglich auf die Abschreckungstheorie. Sie ist darauf berechnet, von der Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe möglichst abzuschrecken und durch eignen Erwerb die Aufnahme in A. zu vermeiden.' 120 Jahre später lesen wir in einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums von Arbeitsangeboten, bei denen eine produktive Tätigkeit nur von 'nachrangiger Bedeutung' ist, ansonsten 'der 'abschreckende' Effekt im Vordergrund steht'. Dabei handelt es sich um 'Workfare' - quasi eine Umschreibung von Zwangsarbeit. Das Papier soll die Zukunft der Erwerbslosen sein. So sehen es die Zukunftskommissionen Nordrhein-Westfalens und Bayerns vor.
'Der entstehende Anreiz, anstelle einer staatlicherseits angebotenen gemeinnützigen Ganztagstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt auch solche Angebote anzunehmen, die gegenwärtig [...] zumeist kaum in Betracht gezogen werden, kann ein erhebliches Beschäftigungspotenzial bei einer gleichzeitigen massiven Haushaltsentlastung mobilisieren', heißt es im Zukunftsbericht aus dem Hause des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU). Und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) präsentierte gerade den Abschlusbericht seiner Kommission, in dem eine 'intensivere Einforderung von Gegenleistung' für staatliche Transferzahlungen gefordert wird. Im Klartext: Künftig sollen Erwerbslose für eine Entlohnung auf Sozialhilfeniveau mindestens 30 Stunden pro Woche arbeiten. Diese 'Visionen' sind wenig überraschend: In den Kommissionen sitzen mit Hans-Werner Sinn vom IfO-Institut in München und Klaus F. Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin die ideologischen Rückendecker der Arbeitgeberseite.
Modellprojekte laufen längst, in Bayern unter dem Namen 'Job-Perspektive Plus', in Thüringen und Sachsen-Anhalt als 'Bürgerarbeit'. In Bad Schmiedeberg bei Wittenberg bereits seit September 2006. Die Bürgerarbeit deckt sich aber nicht völlig mit Workfare: Zunächst werden diejenigen mit guten Chancen am ersten Arbeitsmarkt herausgefiltert. Am Ende des Ausleseprozesses finden sich jene, die nach offizieller Deutung keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie sollen zusätzlich geschaffene Stellen bei Vereinen, Kirchen und Kommunen annehmen. Der durchschnittliche Bruttolohn (30-Stunden-Woche) liegt bei rund 810 Euro, abzüglich Sozialversicherung und Steuern. Arbeitslosenversicherung wird nicht gezahlt, da sonst Ansprüche entstünden. Arbeitsagenturen finanzieren die Jobs.
Die ersten Bad Schmiedeberger Erfolgsmeldungen klangen fantastisch: In drei Monaten war die Erwerbslosenquote von 15,6 auf 6,3 Prozent zurückgegangen. Freilich handelt es sich hier vor allem um statistische Kosmetik. 'Die Abgänge aus Arbeitslosigkeit gingen weit überwiegend in öffentlich geförderte Beschäftigung', so das Urteil des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Bürgerarbeit hat anders als Workfare die soziale Komponente, Erwerbslosen eine sinnvolle Beschäftigung anzubieten. Subjektiv wurde sie von den Betroffenen nicht als negativ empfunden. Den Workfare-Hardlinern hingegen geht es um Abschreckung. Qualifizierung spielt keine Rolle, die Menschen sollen nur dazu gebracht werden, auch für Löhne nur knapp über Hartz IV zu arbeiten: 'Die Androhung von Workfare-Jobs führt [...] dazu, dass die Akzeptanz von gering entlohnten Jobs im regulären Arbeitsmarkt steigt.'
Workfare stammt aus den USA und wird seit den 1990er Jahren von konservativer Politik als Blaupause für eine Verschärfung der Sozialgesetzgebung benutzt. Der Grundsatz der Workfare-Vertreter, dass nur Daumenschrauben Erwerbslose zum Arbeiten brächten, ist ebenso zynisch wie haltlos. Das IAB kommt zu dem Schluss, dass die 'mangelnde Aktivierung der Arbeitslosen nicht der Hauptgrund für die lang andauernde Arbeitslosigkeit ist'."
"ARBEITSZWANG ALS ABSCHRECKUNG. Workfare-Vertreter planen düstere Zukunft für Erwerbslose. Von Rolf Stumberger
Arbeitszwang als Drohung für Erwerbslose? Das planen die Zukunftskommissionen Bayerns und Nordrhein-Westfalens. Nun liegen die Ideen beim Wirtschaftsministerium - Vorläuferprojekte gibt es bereits.
In Meyers Konversationslexikon von 1890 ist unter dem Stichwort Arbeitshäuser zu lesen: 'Die Einrichtung des englischen Werkhauses stützt sich vorzüglich auf die Abschreckungstheorie. Sie ist darauf berechnet, von der Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe möglichst abzuschrecken und durch eignen Erwerb die Aufnahme in A. zu vermeiden.' 120 Jahre später lesen wir in einem Papier des Bundeswirtschaftsministeriums von Arbeitsangeboten, bei denen eine produktive Tätigkeit nur von 'nachrangiger Bedeutung' ist, ansonsten 'der 'abschreckende' Effekt im Vordergrund steht'. Dabei handelt es sich um 'Workfare' - quasi eine Umschreibung von Zwangsarbeit. Das Papier soll die Zukunft der Erwerbslosen sein. So sehen es die Zukunftskommissionen Nordrhein-Westfalens und Bayerns vor.
'Der entstehende Anreiz, anstelle einer staatlicherseits angebotenen gemeinnützigen Ganztagstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt auch solche Angebote anzunehmen, die gegenwärtig [...] zumeist kaum in Betracht gezogen werden, kann ein erhebliches Beschäftigungspotenzial bei einer gleichzeitigen massiven Haushaltsentlastung mobilisieren', heißt es im Zukunftsbericht aus dem Hause des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU). Und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) präsentierte gerade den Abschlusbericht seiner Kommission, in dem eine 'intensivere Einforderung von Gegenleistung' für staatliche Transferzahlungen gefordert wird. Im Klartext: Künftig sollen Erwerbslose für eine Entlohnung auf Sozialhilfeniveau mindestens 30 Stunden pro Woche arbeiten. Diese 'Visionen' sind wenig überraschend: In den Kommissionen sitzen mit Hans-Werner Sinn vom IfO-Institut in München und Klaus F. Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin die ideologischen Rückendecker der Arbeitgeberseite.
Modellprojekte laufen längst, in Bayern unter dem Namen 'Job-Perspektive Plus', in Thüringen und Sachsen-Anhalt als 'Bürgerarbeit'. In Bad Schmiedeberg bei Wittenberg bereits seit September 2006. Die Bürgerarbeit deckt sich aber nicht völlig mit Workfare: Zunächst werden diejenigen mit guten Chancen am ersten Arbeitsmarkt herausgefiltert. Am Ende des Ausleseprozesses finden sich jene, die nach offizieller Deutung keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Sie sollen zusätzlich geschaffene Stellen bei Vereinen, Kirchen und Kommunen annehmen. Der durchschnittliche Bruttolohn (30-Stunden-Woche) liegt bei rund 810 Euro, abzüglich Sozialversicherung und Steuern. Arbeitslosenversicherung wird nicht gezahlt, da sonst Ansprüche entstünden. Arbeitsagenturen finanzieren die Jobs.
Die ersten Bad Schmiedeberger Erfolgsmeldungen klangen fantastisch: In drei Monaten war die Erwerbslosenquote von 15,6 auf 6,3 Prozent zurückgegangen. Freilich handelt es sich hier vor allem um statistische Kosmetik. 'Die Abgänge aus Arbeitslosigkeit gingen weit überwiegend in öffentlich geförderte Beschäftigung', so das Urteil des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Bürgerarbeit hat anders als Workfare die soziale Komponente, Erwerbslosen eine sinnvolle Beschäftigung anzubieten. Subjektiv wurde sie von den Betroffenen nicht als negativ empfunden. Den Workfare-Hardlinern hingegen geht es um Abschreckung. Qualifizierung spielt keine Rolle, die Menschen sollen nur dazu gebracht werden, auch für Löhne nur knapp über Hartz IV zu arbeiten: 'Die Androhung von Workfare-Jobs führt [...] dazu, dass die Akzeptanz von gering entlohnten Jobs im regulären Arbeitsmarkt steigt.'
Workfare stammt aus den USA und wird seit den 1990er Jahren von konservativer Politik als Blaupause für eine Verschärfung der Sozialgesetzgebung benutzt. Der Grundsatz der Workfare-Vertreter, dass nur Daumenschrauben Erwerbslose zum Arbeiten brächten, ist ebenso zynisch wie haltlos. Das IAB kommt zu dem Schluss, dass die 'mangelnde Aktivierung der Arbeitslosen nicht der Hauptgrund für die lang andauernde Arbeitslosigkeit ist'."
2009-08-02
Hugo von Hofmannsthal
MANCHE FREILICH...
Manche freilich müssen drunten sterben,
Wo die schweren Ruder der Schiffe streifen,
Andre wohnen bei dem Steuer droben,
Kennen Vogelflug und die Länder der Sterne.
Manche liegen immer mit schweren Gliedern
Bei den Wurzeln des verworrenen Lebens,
Andern sind die Stühle gerichtet
Bei den Sibyllen, den Königinnen,
Und da sitzen sie wie zu Hause,
Leichten Hauptes und leichter Hände.
Doch ein Schatten fällt von jenen Leben
In die anderen Leben hinüber,
Und die leichten sind an die schweren
Wie an Luft und Erde gebunden:
Ganz vergessener Völker Müdigkeiten
Kann ich nicht abtun von meinen Lidern,
Noch weghalten von der erschrockenen Seele
Stummes Niederfallen ferner Sterne.
Viele Geschicke weben neben dem meinen,
Durcheinander spielt sie alle das Dasein,
Und mein Teil ist mehr als dieses Lebens
Schlanke Flamme oder schmale Leier.
Manche freilich müssen drunten sterben,
Wo die schweren Ruder der Schiffe streifen,
Andre wohnen bei dem Steuer droben,
Kennen Vogelflug und die Länder der Sterne.
Manche liegen immer mit schweren Gliedern
Bei den Wurzeln des verworrenen Lebens,
Andern sind die Stühle gerichtet
Bei den Sibyllen, den Königinnen,
Und da sitzen sie wie zu Hause,
Leichten Hauptes und leichter Hände.
Doch ein Schatten fällt von jenen Leben
In die anderen Leben hinüber,
Und die leichten sind an die schweren
Wie an Luft und Erde gebunden:
Ganz vergessener Völker Müdigkeiten
Kann ich nicht abtun von meinen Lidern,
Noch weghalten von der erschrockenen Seele
Stummes Niederfallen ferner Sterne.
Viele Geschicke weben neben dem meinen,
Durcheinander spielt sie alle das Dasein,
Und mein Teil ist mehr als dieses Lebens
Schlanke Flamme oder schmale Leier.
2009-08-01
GLAUBHAFT
was sagt mehr als tausend worte. kein bild, sondern tausendundeins worte. aber bringt das tausendunderste wort die andern tausend zum klingen. doch tausendundeins worte sagen mehr als tausend worte.
2009-07-30
hauptsumpf eroeffnet
guten abend, guten morgen, gute nacht, guten nachmittag,
hier eroeffnet der hauptsumpf schleunigst seine schleusen, um am traegen strom der information und deformation seinen teil, aber nicht klein bei zu geben.
hauptsumpfverantwortlicher
hier eroeffnet der hauptsumpf schleunigst seine schleusen, um am traegen strom der information und deformation seinen teil, aber nicht klein bei zu geben.
hauptsumpfverantwortlicher
Abonnieren
Kommentare (Atom)