2011-11-30

STALINS TOCHTER TOT

"New York/Moskau (dpa/nd). Stalins einzige Tochter ist tot. Die unter dem Namen Lana Peters lebende Swetlana Stalina sei bereits am 22. November im Alter von 85 Jahren in einem Altersheim im US-Bundesstaat Wisconsin an Darmkrebs gestorben, berichtete die 'New York Times'. Nach dem Tod ihres Vaters 1953 hatte sie zunächst den Nachnamen ihrer Mutter und Stalins zweiter Frau, Nadeshda Allilujewa, angenommen. 1967 wanderte Swetlana erstmals in die USA aus. Vor ihrer zweiten Ausreise in die USA lebte sie von 1984 bis 1986 in der georgischen Hauptstadt Tbilissi.
Mit zwei Autobiographien, in denen sie die Sowjetunion scharf kritisierte, machte die gebürtige Stalina ein Vermögen."
(Neues Deutschland, 30.11.2011)

2011-10-13

SEX-STREIK

Mit einem 110-tägigen Sex-Streik haben die Frauen der Stadt Barbacoas im Westen Kolumbiens die dringend benötigte Reparatur einer Verbindungsstraße in die 250 Kilometer entfernte Regionalhauptstadt Pasto erzwungen. Am Dienstag gaben Transportminister Germán Cardona und der Gouverneur Antonio Navarro Wolff den Startschuss für das Bauvorhaben, das fast 18 Jahre lang auf Eis gelegen hatte. Die 280 Frauen, angeführt von der Richterin Barybell Silva, beendeten ihren Streik und ließen die Ketten fallen, die sie während der Aktion symbolisch getragen hatten.

(dpa; Neues Deutschland, 13.10.2011)

2011-06-26

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David Safier: MIESES KARMA. Roman


Dem Rezensenten liegt die 12. Auflage des 2007 erschienen Romans vor. Sie stammt aus dem Jahre 2008. Es handelt sich also um einen Bestseller, der als solcher beworben wurde und wird. Namentlich in den „555 Dingen, die man in Bremen und Umgebung gemacht haben muss“, wird die Lektüre empfohlen. Zu Unrecht.

„Der Tag, an dem ich starb, hat nicht wirklich Spaß gemacht. Und das lag nicht nur an meinem Tod. Um genau zu sein: Der schaffte es gerade so mit Ach und Krach auf Platz sechs der miesesten Momente des Tages. Auf Platz fünf landete der Augenblick, in dem Lilly mich aus verschlafenen Augen ansah und fragte: 'Warum bleibst du heute nicht zu Hause, Mama? Es ist doch mein Geburtstag?'“ (1. Kapitel, 7)

So beginnt der 58 Kapitel umfassende, sich meist in schnoddrigen, launisch daher kommenden Dialogen abspulende Roman. Die von der Klosettschüssel einer abstürzenden russischen Raumstation erschlagene Fernsehmoderatorin Kim Lange durchlebt in verschiedenen und verscheidenden Lebensformen ihr Nachleben, unterstützt von einer Reinkarnation Casanovas. So weit, so langweilig und belanglos der Plot.

„Aber ich widerstand dem Schmerz und krallte mich im Boden fest. So hatte ich meinen Körper nicht mehr überwunden, seit ich mit zwölf Jahren bei 'Wahrheit oder Pflicht' den dicken Dennis küssen musste.“ (10. Kapitel, 51)

Auch der Rezensent widersteht noch dem Schmerz und liest weiter. Es ist ja für einen guten Zweck. Soll er jetzt über dicke Jugendliche lachen, die Dennis heißen? Er hat sich schon besser amüsiert.

„Ich hatte natürlich schon mal von Karma gehört. Alex hatte ein Buch über Buddhismus gelesen, als er tief in seiner Biochemie-Studium-Krise steckte. Wenn ich hingegen mal eine Krise schob, las ich lieber Bücher mit Titeln wie 'Sei lieb zu dir selbst', 'Sei noch lieber zu dir selbst' und 'Vergiss die anderen'.“ (21. Kapitel, 94)

Ein Panorama der Belanglosigkeiten, Schnipsel des Privaten werden dem mehr oder weniger geneigten Leser zum Fraß vorgeworfen. Jeder Drogeriemarkt hat ein besser sortiertes Hundefuttersortiment. Dass es in einem derart hilflosen Plot auch entsprechend hilflose Rückblenden und Querverweise auf Literatur gibt (hier von Intertextualität zu sprechen verbietet sich), war zu erwarten.

„'Eine Kutsche ohne Pferde?', fragte Casanova erstaunt, 'und dabei auch noch so außerordentlich scheußlich ausehend?' Ich vergaß immer wieder, dass der Signore aus einer anderen Zeit stammte und sich an dieses Jahrtausend erst mal gewöhnen musste.“ (29. Kapitel, 143)

Wir konnte der Leser das vergessen!? Und wie einfallsreich David Safier hier ist! Eine 'Kutsche ohne Pferde' – so werden Horizont und Herkunft der Figuren platt und holzhammerartig eingeimpft. Casanova ist noch die sympathischste Figur, was vielleicht auch daran liegt, dass der Autor seine fiktiven Notizen oftmals in Fußnoten auftauchen lässt. Der Rezensent wünschte sich das ganze Buch als Fußnote.

„Um eine Hochzeit zu torpedieren, gibt es nichts Besseres, als das Hochzeitskleid zu zerstören.“ (38. Kapitel, 179)

Mit Ratschlägen wird der Leser durch die Hauptfigur reichlich versorgt. So nimmt das Buch nach und nach die Gestalt dessen an, was es (möglicherweise) bekämpfen wollte. Oder wie es Carl Schmitt einst formulierte: „Der Feind ist die eigene Frage als Gestalt.“

„Aber das olle Nirwana kämpfte zurück.
Und zwar indem es immer sanfter wurde.
Immer liebevoller.
Es wollte mich einfach nicht mehr loslassen. Ich hatte die Aufnahmekriterien erfüllt und sollte den Club nicht mehr verlassen.
Ich hatte noch nie etwas erlebt, was so überzeugend mit den Waffen Sanftheit und Liebe kämpfen konnte wie das Nirwana.
Ich aber konzentrierte mich auf Lilly: auf ihre traurigen Augen, ihre weiche Kinderhaut, ihre süße Stimme...
Das Nirwana hatte nicht den Hauch einer Chance gegen die Liebe zu meiner Tochter.“ (42. Kapitel, 193)

Nicht ohne meine Tochter, diesmal im Soap-Format. Warum kaufen Menschen so etwas? Warum fällt dem Autor nicht mal eine interessante Wendung ein? Warum kann die (deutsche) Mutter sich nicht mal von ihrem nervigen Kind abwenden und ins Nirwana wandern? Fragen über Fragen.

„Wütend fuhr ich mit der Straßenbahn zu Daniel (ihrem Liebhaber zu Lebzeiten). Ich war tierisch sauer darauf, dass Typen wie Rico mir beziehungsweise Maria das Leben vermiesten. Am liebsten hätte ich Rico das Herz rausgerissen, es in kleine Einzelteile zerhäckselt, anschließend in einen Mörser getan, es dort zu Brei zerstampft, den Brei dann an einen Hund verfüttert, den ich anschließend mit einer Dampfwalze überfahren hätte.“ (50. Kapitel, 228)

Was der Hund damit zu tun hat, weiß der Rezensent nicht. Was der Leser nachvollziehen kann (zum Beispiel Hassgefühle der Hauptfigur gegen augenscheinlich bösartig agierende Mitmenschen), wird ihm (Stichwort Dampfwalze) ausgewalzt, bis es so platt ist wie eine Seite aus David Safiers Buch. Doch das ist nur konsequent, findet der Rezensent, betrachtet man das Moderatoren- und Lebensratgeber-Niveau des gesamten Textes. Alles endet folgerichtig etwas unironisch in einem glücklichen Kleinfamilien-Finale und dem Lebensratgeber-Satz, der alle Lebensratgeber-Literatur dieser Welt beschreibt:

„Fürs Nirwana braucht man kein Nirwana!“ (58. Kapitel, 283)

Dieses Buch braucht man ebenfalls nicht. Oder um es mit Baudelaire zu sagen: „Langeweile ist der über die Zeit verteilte Schmerz.“

[David Safier: Mieses Karma. Roman, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2007; nicht kaufen!!!]


| thomas wettengel © 2011-06-26 |

2011-06-06

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Ralf Husmann: Nicht mein Tag. Roman

Ralf Husmann ist einer der führenden Komik-Autoren der BRD. Die Figur Stromberg und der Führer-Büro-Kasper gehen auf sein Konto. Auch viel Geld, da das heute zu besprechende Buch sehr oft verkauft wurde.

"Rolf Zuckowski und alle seine Freunde sollen eines schrecklichen Todes sterben." (30) Das ist einer der großen Wünsche der Hauptfigur des Romans, Till Reiners, der durch Zufall vom Bankangestellten zur Geisel, zum Komplizen und Flüchtling vor seinem bisherigen Spießerleben wird.

"Wer überfällt denn heute noch Banken und nimmt Geiseln?" (60) Der eine oder andere. Der Anlass ist vielleicht etwas bemüht, aber was Husmann daraus macht, ist mehr, als ich angesichts seiner Arbeiten fürs TV erwartet hatte.

"Nappo ist vermutlich zu jung, um noch Autoquartett gespielt zu haben." (90) Nappo ist der Name des ebenso brutalen wie prolligen Bankräubers, mit dem der Bankangestellte Reiners die aufregendste Zeit seines Lebens verbringen wird.

"Je länger Till auf die Landstraße vor ihm guckt, desto mehr hat er den Eindruck, dass sie direkt aus der Schnauze des Citroen kommt, dass der Wagen selbst die Straße produziert, auf der er fährt." (120) Der brave Bankangestellte ist nun schon ein brutaler Autoräuber. Er sehnt sich nach einer Zeit, als alles einfach war und die Autos noch nach Nationen unterscheidbar waren - wie im Autoquartett. Auf dem Überwachungsvideo der Tankstelle ist deutlich zu sehen, wie Till Reiners den Fahrer des Citroen niederschlägt.

"Zwischendurch reden beide mit Saddam und Hitler." (150) Das sind doch mal Namen für Schäferhunde. Nappo und ein dubioser Autohändler machen ein Geschäft klar. Der spießige Franzose wird gegen ein protziges US-Modell ausgetauscht. Till muss warten und darf nur zusehen. Dabei möchte er so gerne mitspielen.

"Dieses Mal macht Jessica alles richtig." (180) Die junge Bankangestellte, von der Till Reiners träumte, als er noch Bankangestellter war, träumt von einer TV-Karriere. Diese wird aus einem zusammengeschnittenen Beitrag voller Verdächtigungen gegen Till Reiners bestehen.

"Die lustige Nadine wollte in ein schönes Hotel." (210) Nappos Schnitte macht mit Nappo rum, und Till darf wieder nicht dabei sein. Er stört und kotzt. Doch nicht mehr lange.

"Der seriöse Ton der Artikel stellt sie völlig falsch dar." (240) Geschlechter-Rollen greifen, das spürt Jessica, als sie sich als Vamp erlebt, der einen unschuldigen Familienvater zum Bankraub verleitet hat. Jessica beginnt die Stars zu verstehen. Irgendwann ruft ein seriös klingender Mann an. Es läuft auf Nacktfotos hinaus.

"Nappo war die Weiterentwicklung von Dirk Manthey, der Till damals in Südfrankreich wegen der Sauerländer Schwestern hatte sitzen lassen und damit nicht nur 'Copyright' beendete, sondern auch Tills komplette Musikkarriere." (270) Die Reise führt nach Westeuropa, schließlich in den Süden Frankreichs und in eine Zeit neben der Zeit, in der Till Reiners eingeschlossen ist. Anders gesagt: "was nicht ist, ist möglich", wie die Einstürzenden Neubauten singen. Aber Nappo ist höchstens eine üble Farce auf Dirk Manthey. Und ihre Flucht ist eine auf die großen Zeiten des kleinen Terrors im Westeuropa der 70er und 80er Jahre. Der Ausflug in die Freiheit endet im Schusswechsel.

"Kurt Bergmeister stellt sich Miriam Reiners vor, in dem T-Shirt und der grauen Jogginghose, die sie getragen hat bei seinem Besuch in ihrer Wohnung, um ihr die Fotos aus dem Kleingarten zu zeigen, vor drei Tagen, als der Plüschaffe." (300) Der ermittelnde Kriminalbeamte ist eine Koryphäe des Wartens mit einer personenbezogenen Phantasie. Er kann sich nur reale Personen vorstellen. Zum Beispiel Till Reiners Frau, in seinem Arm, während Herr Reiners im Gefängnis sitzt. Und dann muss er nach Frankreich, der Mustang ist gefunden worden, die Story neigt sich ihrem dramatischen Ende zu.

"Miriam steht in der Wohnungstür und sieht aus wie immer, während Till so aussieht wie noch nie." (330) Zurück bleiben ein Tattoo auf Tills Haut (das chinesische Zeichen für Mut, wie Nadine ihm erklärte, auf ihrer gemeinsamen Flucht in der Flucht) und eine Stadt Osthofen, in der es die Mülltonnen gut haben sollen.

[ralf husmann: nicht mein tag. roman, frankfurt am main: s. fischer 2008, antiquarisch ab 4 euro oder geschenkt]


| thomas wettengel © 2011-0606 |

2011-05-03

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Heinar Kipphardt: MÄRZ. Roman und Materialien


Wofür bekommt einer den Bremer Literaturpreis 1977 und viele, meist zustimmende Post aus allen (beiden) Teilen Deutschlands, auch von Medizinern, und euphorische Kritiken?

Lenz, Schmerz, Merz, Martial.

„Was übrigens den Büchner mit seiner LENZ-Erzählung angeht, so irrt sich Paul Kruntorad auch hier, Büchner hat für seine Zwecke seitenlang den Bericht des Pfarrers Oberlin benutzt, ohne anzumerken, wo er ihm folgt, wo nicht und warum er ihn an anderen Stellen ändert. Immer noch gibt es den Bericht von Oberlin und Büchners LENZ, zum Studium des Tatsächlichen in der Literatur empfohlen.“ (281, Kipphardt zur Frage des Authentischen in seinem Roman)

In der Literaturgeschichtsschreibung zu den 70er Jahren der BRD kommt Kipphardt meistens nur mit seinen Theaterstücken vor, politisch engagiertes Theater von OPPENHEIMER bis EICHMANN.

„Der Roman handelt nicht von 'Genie und Wahnsinn', aber wir beobachten in unserer Gesellschaft einen enormen Rückgang an Phantasie, an Selbstbestimmung, an Individualität. Wir beobachten einen unglaublichen Verlust an sinnlicher Erfahrung, an Sehen, Hören und Schmeckenkönnen, an Produktivität, in der sich das jeweilige Ich ausdrückt. Wir sehen Leute, die nur noch genussfähig sind, insofern sie etwas kaufen, etwas erwerben. Das ist eine sehr merkwürdige, sich auf bloßes Haben reduzierende Verwandlung im Gebrauch von Sinnlichkeit. Diesen bestimmten produktivitätsfeindlichen und auch kulturfeindlichen Aspekt in unserer Gesellschaft hat Marx, glaube ich, sehr umfassend beschrieben.“ (267, Kipphardt, Das Elend der Psychiatrie, 1976)

Der Titel verweist, gewollt, durchsichtig auf Büchners große Erzählung. So schrieb er hin, und bekam Ärger und Preise, denn er, der gewesende Psychiater, hatte sich frei bedient an Texten eines Psychiatriepatienten (veröffentlicht von einem Berufskollegen), ihm einen Abschlag gezahlt und die Texte in seine Produktion eingespeist.

„Vielen Dank für die Übersendung und Widmung Ihres Buches 'März'. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich mich von diesem Werk entschieden distanziere, und zwar nicht wegen Ihrer Stellungnahme zur Psychiatrie, sondern wegen Ihrer Verwendung der psychopathologischen Texte, die Sie ja nicht bloß zu einer Anregung benützt haben, wie Sie es am Schluss Ihres Buches vermerken. Ich bin bestürzt, mit welcher Unverfrorenheit Sie die verschiedensten Auszüge aus meinen Büchern, auch Texte der verschiedensten Patienten, teils wortgetreu, teils entstellt, ohne Quellenangabe in Ihrem Buch abdrucken ließen. Aus unserer Korrespondenz und Ihrer Spende an Alexander konnten Sie das Recht zu einer solchen Plagiierung keinesfalls herleiten.“ (254, Leo Navratil an Heinar Kipphardt, 15.04.1976)

Andererseits, schreibt der Autor, würde der Roman unleserlich werden, wenn er zu jedem Zitat eine Fußnote einfügte. Besser dieses Problem, als gedichtete Doktorarbeiten, meint der Rezensent. Wie verhält es sich eigentlich mit dem geistigem Eigentum von Menschen, die mit sich selbst als Person oder Ich nichts anfangen können? Ist der Arzt, der Cheffe, der Psychiater berechtigt, 'seine' Patienten zu vertreten? Und wie verhält es sich mit dem geistigen Eigentum von Leuten, denen es vor allem aufs Eigentum ankommt? Die Materialien zum Roman dokumentieren einen kleinen, feinen Anschlag aufs Urheberrecht.

„Niederspritzen: psychiatrischer Jargon, einen Patienten mit Spritzen ruhig zu stellen“ (231, Glossar)

März ist abgängig, der kurze Frühling der Revolution / Psychiatrie / Krankheit / Poesie endet im deutschesten (und im bemühtesten) aller Monate, im November. So fand der Arzt Kofler seinen Patienten letztlich vor:

„An einem kalten Novembertag fuhr Kofler nachts aus der Klinik nach Hause, an demalten Gutshof vorbei und den Obstwiesen. Wo der Feldweg kreuzt, sieht er im Scheinwerferlicht das Stoppschild mit dem eingeschriebenen 'Ecce homo' und einem roten Pfeil. Er fährt in den Feldweg und in die Wiese hinein, springt aus dem Wagen, ohne den Motor abzustellen und sucht nach dem Apfelbaum. 'Herr März! Herr März!' Er läuft zu dem Wagen zurück und kurvt zwischen den Bäumen umher. Erleichtert sieht er im Nebenlicht der Scheinwerfer tatsächlich wieder den nackten März gekreuzigt im nunmehr kahlen Baum stehen, lächelnd als Kofler zu ihm raufsieht und eine Zigarette im Mund. 'Kommen Sie runter, Herr März! Kommen Sie mit mir nach Hause, denn Sie erkälten sich ja! Kommen Sie, Herr März!' Da öffnet der Gekreuzigte die Augen und zündet sich wie damals eine Zigarette an. Eine wilde Feuerbrunst fährt über März und den ganzen benzinübergossenen Baum, in dem man März nicht mehr sieht.“ (224)

In dieser grandiosen Schlussszene, die entfernt an Tarkovskijs OPFER erinnert (oder umgekehrt?), ist dem Roman deutlich seine Herkunft aus dem Filmdrehbuch anzumerken.

„Ich gehöre nicht zu euch, ich habe niemals zu euch gehört, und ich will niemals zu euch gehören, denn ich habe euch kennengelernt. Abgerichtete Objekte und Tubenwurstesser.“ (190)

In der Figur des Schizos Alexander März, die Elemente einer realen Krankengeschichte enthält, formuliert Kipphardt präzise seine Ablehnung der Mehrheitsgesellschaft, die gerne mit etwas ähnlichem wie Demokratie verwechselt wird. Die Sammlung der Aufzeichnungen des Psychiatriepatienten durch Kofler reflektiert, ohne das finanzielle Moment direkt zur Kofler-März-Beziehung in Relation zu setzen, die Skrupel des Autors. Reale Verwertung und Kritik an der Verwertung der Krankheit im Roman stehen unvermittelt nebeneinander. Der Material-Anhang versucht keine Vermittlung, er dokumentiert lediglich einige Umstände der Produktion.

„An den Herrn Minister des Kultes in Bayern Maier.
Als Sammler von Kulturdokumenten beehre ich mich, Ihnen ein besonders ausdrucksvolles zu überreichen. Ich entdeckelte den anliegenden Flaschenverschluss. Dort wird die Frage gestellt: Welches Wort kennt man in über 130 Ländern? Die Antwort wird auf der Innenseite erteilt und lautet: Coca Cola.
Hochachtungsvoll
Alexander März
Anlage 1 Deckel der Firma Coca Cola, abgefüllt in Landshut.
P.S. 1 Gehört die Frage in den Bereich der Sprachwissenschaft oder des Völkerrechts?
P.S. 2 Der Deckel, massenhaft hergestellt, wäre ein sehr schönes (Partei)Abzeichen.“ (178)

Das erinnert an das beinahe gleichzeitig, aber etwas knackiger formulierte „Heil Coca-Cola“ im Ekel-Monolog von Heiner Müllers HAMLETMASCHINE, ist aber auch prächtig gelungen, wie der Rezensent findet. Im Roman kann das schon mal ausgeführt werden, hier schön als Kidnapping der Kultur durch Coca-Cola in der Filiale Landshut. Für Interessierte sei hier ein Buchtipp angehängt: David Greising, Die Welt soll Coca-Cola trinken (eine Selbstbeweihräucherung), 1999.

„Lockes Definition des Wahnsinns als falsche Assoziation der Ideen.“ (169)

„Dagegen März: 'Der Wahnsinn ist die richtige Verbindung der (gefürchteten) Ideen. Der Netzhaut entlang ins Grüne.'“ (169)

Der Roman gebraucht das Mittel der Montage, das durchgängig, so dass das Schriftbild in jedem der einzelnen Kapitel meist aus großen und kleinen Blöcken besteht. Das macht die Lektüre angenehm, weil es die Augen nicht anstrengt.

„Der Psychiater weiß nicht, dass er den Fragen ausweicht, die der Schizophrene stellt, wenn er ihn mit einer Spritze Haloperidol zur Kapitulation zwingt. Die Schizophrenie ist für ihn dann ein Haloperidol-Mangelsyndrom.“ (168)

Die Kapitel gliedern sich wie folgt: 1. ein Kapitel ohne Überschrift (7-20), 2. Rekonstruktion einer vorklinischen Karriere (21-41), Rekonstruktion einer vorklinischen Karriere 2 (42-48), Rekonstruktion einer vorklinischen Karriere 3 (49-65), Beschreibung einer klinischen Karriere 1 (66-88), Beschreibung einer klinischen Karriere 2 (89-114), Lohberg als Ganzes (115-132), Exkurs (133-134), Therapiegemeinschaft (135-163), Kofler-Ansichten (164-169), Erinnerungen an März (170-178), Andere Patienten (179-189), Hat März eine Philosophie? (190-196), Hanna und Alexander (197-199), Die Resenrose im Herbst auch blüht (200-207), Nachtrag (208-225). Die 80 Seiten starken Materialien sollten vorweg gelesen werden, wenn die Lektüre des Buchs fürs Studium nachgewiesen werden muss. Da weiß man gleich was über die Umstände. Ansonsten kann gelesen werden, wie es gerade kommt, oder höchstanständig von vorne nach hinten durch. Entscheidend ist nicht immer, was hinten raus kommt.

„Es gibt auch die Liebe, dass man nur miteinander verwesen kann. Schlugen die Sargbretter raus, um miteinander zu verwesen.“ (149)

Sätze wie dieser sind 30 Jahre nach Kipphardt leider selten zu lesen.

„Ein heute in der Bundesrepublik geborenes Kind hat eine mehrfach größere Chance, in eine Heilanstalt zu kommen als auf eine Universität.“ (134)

Der Rezensent ist sich nicht sicher, ob er sich glücklich schätzen soll, es auf eine Universität geschafft zu haben. Im Vergleich zu den geschilderten Verhältnissen (niemals vergessen, dass hier ein Fachmann schreibt, vergleichbar mit Döblin oder Benn) war meine Universität eine lässige Anstalt, meist für wild oder schlau daher kommende junge Mittelschichtmenschen wie ihn. An der durchs Figuren-Rohr Kofler geblasenen Ansicht über Heilanstalten und Universitäten im Spätkapitalismus dürfte sich wenig geändert haben.

„März, Äußerungen. 'Als industriell Gemordeter erscheine ich als Gespenst.'
'Fabrik und Büro sind die Tummelplätze der pflichtblassen Doppelgänger. Erscheint einmal morgens der andere (Ich), lässt ihn der Werkschutz nicht rein. Im Keller zwischen den Bretterspalten warten die bleichen Ersatzdoppelgänger.'
'Man hat im Winter Laub in mich hineingeworfen. Das vermodert.'
'Ich liege in einer verlöteten Konservendose. Den Kopf halb zur Seite gelegt, schöpfe ich Luft aus der Luftblase.'“ (131)

Wir leben nicht in einem gelben Untersee-Boot, ganz sicher nicht, auch nicht mit Prochnow und Grönemeier in einer Männerpension im Atlantik, nein, es ist viel schlimmer: In der März-Figur beschreibt Kipphardt die Katastrophe der Kursk aus dem Blick-Winkel des blind schreibenden Kolesnikov. Er kannte ihn. Und was für ein schöner Traum wird hier geträumt, die Auferstehung der Gemordeten, deren Name Legion ist. Darum Angst haben vor jedem leeren Stuhl, liebe Leser. Zu 'pflichtblassen' Doppelgängern noch 'Ersatzdoppelgänger' zu erfinden, ist eine schöne Leistung, von der der Rezensent allerdings nicht sagen kann, ob sie auf das (Giro-) Konto des Autors oder eines unbekannten Patienten geht. Katatonie als Denkmal. Das entsprechende Ersatz-Doppelgänger-Schatten-Museum wäre dann die Autobahn aus Franks Buch DER VATER. Die Toten sind nicht tot, und die Lebenden leben nicht.

„Was die Bausubstanz der alten Klinik angeht, so sähe er keinen vernünftigen Grund, sie zu erhalten. Sie könnte nach seiner Ansicht in kleinen Einheiten innerhalb von zehn Jahren ganz ersetzt werden, ohne die Arbeit der Klinik einzuschränken. Zielprojektion schien ihm eine wirtschaftlich entwickelte, unabhängige und sozial durchdachte psychiatrische Lebensgemeinschaft, eine Art beschützende Stadt für psychisch Kranke, die ihren unverwechselbaren Platz in einem marktwirtschaftlich orientierten Sozialstaat finden muss, denn unzweifelhaft nähmen die psychischen Erkrankungen in einer modernen Gesellschaft zu. Übrigens sei diese Lebensgemeinschaft, die eine wirtschaftlich gesunde Basis durchaus haben könne, in der alten Anstalt vorgebildet. Auch heute sei Lohberg undenkbar ohne die Einrichtungen der Selbstversorgung, die überwiegend von Patienten betrieben würden, er nenne nur die Großküche, die Wäscherei, das Heizwerk, die Bäckerei, die Schlosserei, die Tischlerei, die Gärtnerei, das Gut, die Molkerei und die Karpfenzucht. Patienten arbeiten im pflegerischen Stationsdienst, in der Verwaltung und heute auch schon in einigen durchaus konkurrenzfähigen Fertigungsbetrieben. Die Resozialisierung des Kranken sei die Wiederherstellung seiner Fähigkeit, in unserer Industriegesellschaft wertschöpfende Arbeit zu leisten.“ (120)

Diese Ausführung eines unermüdlichen Kollegen von Doktor Kofler, Feuerstein mit Namen, illustrieren das gängige Ziel der Psychiatrie als einer Besserungsanstalt, ganz ähnlich einem Gefängnis, mit dem sie auch die strikte Geschlechtertrennung gemein hat. Letzteres ist wohl ein bislang nicht kurierter Blinddarm der faschistischen Psychiatrie, so in etwa der Autor. Seht her, sie sind doch zu etwas nütze, ihr müsst sie nicht vergasen, ist der Unterton der Ausführungen der Feuerstein-Figur. Die Gestörten, Störenden, den kapitalistischen Burg-Frieden störenden Störenfriede sind mit der chemischen Keule viel effizienter auf Linie zu bringen als ihre Leidensgenossen einige Jahrzehnte zuvor. Der Volkssport Pillenwerfen findet im psychiatrischen Personal besonders begeisterte Anhänger, ist aber in der Psychiatrie im Vergleich zum gern zitierten Otto Normalverbraucher nur leicht verschärft. Die Angst des Normalen, sich unweit des Verrückten auf derselben Skala wiederzufinden, wird als bekannt vorausgesetzt. Wo Patienten medikamentös 'eingestellt' werden, ist die Nähe zur LINGUA TERTII IMPERII (Victor Klemperer) offensichtlich. Einstellung ist ein zentraler Begriff des faschistischen Begriffsgewabers aus Organischem und Technischem. Wer dem Verwertungskreislauf zugeführt werden kann, gilt, wenn schon nicht als 'vollwertiges' Mitglied der Gesellschaft, so doch wenigstens nicht als Kostenfaktor. Die Löhne, ob im Knast oder in anderen Anstalten, sind ein schlechter Witz und ein lang andauernder Vorgeschmack auf das, was den Ideologen des so genannten freien Marktes vorschwebt. Das schreibt Kipphardt nicht, es lässt sich aber ablesen. Die Akzeptanz der Psychiatrie im Kapitalismus hängt, so Kipphardt via Feuerstein, von ihrer möglichen Mehrwerterzeugung ab.

„'Mit meiner felsenfesten Phantasie', sagte März, 'sehe ich die Zukunft meiner Wirklichkeit bereits als Vergangenheit an.' 'Heißt das, Sie wären in Ihrer Phantasie tot?' fragte Kofler. 'Ich bin in meiner Wirklichkeit tot, so ist mir die Zukunft des Irrenhauses sicher.'“ (99)

Was ist dem noch hinzuzufügen? Die Verweigerung von Geschichte für ganze Generationen, mit exemplarischer Drastik an Outcasts statuiert, schwebt als permanente Drohung über jedem Einzelnen. Kipphardts Verdienst ist es, einen Psychiatrieroman abseits von Gefühlskitsch, aber ohne Angst vor dem Entwurf einer (nahezu kleistschen) Idylle, verfasst zu haben. Sein Verdient angesichts einer sechsstelligen Auflage des Buches MÄRZ. ROMAN UND MATERILIEN fällt da fast nicht mehr ins Gewicht, zumal er nicht alle Auflagen erlebte.

„M. hält sich für sich. (Datum)“ (87)

Diese Diagnose, so erschreckend das klingt, lässt sich in der Bundesrepublik Deutschland wohl für 70-80 Millionen Menschen stellen. Anders gesagt: 70 Millionen Menschen können nicht richtig Nicht-Ich sein.

„An den Internationalen Gerichtshof
Den Haag, Holland und Niederlande.
Werter Gerichtshof, Polizeikomplott und Verfassungsschutz erzwingen Erscheinen falscher Mutterfiguren im Fernsehen, dass ich vertusche, was uns alle umbringt und sie ermördert hat. Was hat uns denn alle in diese kleinen Männchen verschrumpft, denen das A und das B aus den Ohren tropft und lecken als speichelnde Lecker, und wer zerkautert das Hirn in Trockenfutter? Das sollen Sie und schnell herausfinden, Mitteilung machen im Amtsblatt. Sind das nun hier schon Verhöre, Doktoren und Pfleger verkleidet? Sind Bohnen Geschlechtsorgane und soll das Gewehr nicht auch zu diesem Weihnachtsfest geladen sein?
Aussagebereit Mörder März“ (71)

Wem fiele nicht sofort der TATORT LINDENSTRASSE ein?

„März. 'Was ich in dieser Anstalt sage, sagt manchmal auch die Anstalt.'“ (54)

Vom Ich wendet sich März ab, sieht sich selbst (auch) als Sprachrohr, als Mitteiler oder als Mitteilung, jedenfalls als eine verquere Möglichkeit jenseits dessen, was landläufig Ich genannt wird. Das gesellschaftliche Sein der Figur März, und das ist angesichts eines Autors, dessen Denken an Hegel und Marx geschult ist, legitim zu sagen, bestimmt ihr auf der Kippe balancierendes Bewusstsein. Ein Extremfall selbst gelebten, aus unfreien und freien Stücken bestehenden Lebens.

„Kofler, Notizen. Niemand ist heute so weit, die Schizophrenie unmittelbar aus der familiären oder sozialen Situation abzuleiten. Was wir tun können ist, die interfamiliäre und soziale Umwelt der Schizophrenen genau zu beschreiben, bis wir die Teile in einen sinnvollen Zusammenhang bringen können. Wir suchen für das ganz außergewöhnliche Bild der Schizophrenie ganz außergewöhnliche Erlebnisse, es scheint aber, es genügen die ganz gewöhnlichen Schrecknisse, mit denen wir alle nur mühsam fertig werden. Der Schizophrene ist ein Leidensgefährte. Er leidet an einem Reichtum inneren Lebens, und er möchte sein, was er wirklich ist.“ (48)

Was so reformerisch und alternativ daherkommt, kann auch als alter Traum des Mediziners vom Heilen gelesen werden, den Kipphardt hier ironisiert. Wer sich für sich selbst hält, kommt an dem Wunsch, zu sein, was er wirklich ist, kaum vorbei.

„Familienfoto. Vor dem Spiegel die Übung: Pokerface, keine Empfindung zeigen. Auf Nadelstiche nicht reagieren, nicht zucken bei der Berührung mit nachglühenden Streichholzkuppen, Kamikazeflieger.“ (26)

Als Beilage zur Lektüre des Kapitels empfiehlt der Rezensent das Betrachten eigener Familienfotos und des Films TAXI DRIVER.

„März ist seit 11 Monaten hier abgängig. Bisher ward keine Spur von ihm gefunden. Ein Lieferwagen der Anstaltsgärtnerei, mit der Flucht von März in Verbindung gebracht, wurde unversehrt im Isarkanal geborgen.“ (7)

Seine Habseligkeiten überantwortet der Flüchtling März anderen Hier Gebliebenen (Zurück Gebliebenen), Patienten und, soweit es Schriftliches betrifft, dem Arzt Kofler. Diese einer (wirklichen) Wirklichkeit entlehnte Legende ist die Basis für Kipphardts Roman-Text (wie auch für den Film-Text und den Stück-Text).

„In diesem späten Sommer fühle ich mich wie tot, und das ist angenehm, abzusterben eine Wollust. Ich bin 41, es kommt der Herbst, und der Winter bald. Die Büsche werden braun und grau und liegen verdorrt unterm Schnee. Ich nähere mich meinen Patienten. Bald gehe ich hier fort. (Tagebucheintragung Koflers, Abteilungsarzt der psychiatrischen Landesklinik Lohberg.)“ (7)

Das ist Hölderlin von mehreren Seiten, es fehlen nur die Schwäne. Das 'weh mir' ist gestrichen, die offensichtlichste Veränderung, die Einverständnis (Brecht) oder Fügung als erstes Lernziel festschreibt.

Jakob Michael Reinhold Lenz fasst den kapitalistischen Fluch der Person in einem Satz ohne Punkt und Komma zusammen: „Ich bin bis ins Grab“ (an Johann Daniel Salzmann, 1772)

Gegenwart ist ein dehnbarer Begriff.

[Heinar Kipphardt: März. Roman und Materialien, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt [1978] 1990]


| thomas wettengel © 2011-05-03 |

2011-04-21

LESEN UND LESEN LASSEN

denis johnson: ein gerader rauch [engl. tree of smoke, 2007], 2008

denis johnson, sohn eines us-amerikanischen offiziers aus münchen, wie wikipedia, wohl- oder übelwissend, mitteilt, verbrachte seine kindheit und jugend dort, wo auch grosse teile seines romans angesiedelt sind: auf den philippinen.

auch drogen spielen eine rolle. so weit, so autobiographisch.

um einen roman herzustellen, muss dass eigene trauma mit einem grösseren trauma kurzgeschlossen werden. in johnsons fall ist es der so genannte vietnamkrieg sowie seine vor- und ausläufer.

in der deutschen übersetzung, die stellenweise etwas holperig daherkommt, umfasst das konvulut mehr als 800 seiten, in denen anschläge verübt werden (z.b. durch einen bnd-agenten, dessen vater schon für die nazis gearbeitet hatte), dem freiheitlichen antikommunismus gehuldigt (durchweg und am wenigsten überzeugend in der figur eines zweifelnden nordvietnamesischen soldaten), das christentum bemüht (ebenfalls durchweg) und krude geheimdienstverwicklungen mutmasslich entwickelt und end-verwickelt werden (durchweg, vor allem anhand der lektüre fiktiver aufzeichnungen eines us-amerikanischen geheimdienstoffiziers, der sich trotz intensiver suche in luft auflöst).

das gesamte karteikartensystem des colonels, über neunzehntausend einträge, vom ältesten bis zum jüngsten sortiert, ruhte auf vier an die wand geschobenen klapptischen links und rechts von seiner badezimmertür, über neunzehntausend din-a7-karten in einem dutzend schmaler holzkästen, die, wie der colonel ihm erklärt hatte, in den werkstätten auf dem seafront-gelände der amerikanischen botschaft in manila angefertigt worden waren. auf dem boden neben den tischen standen sieben fünfzehn kilo schwere kartons voll unbeschriebener karteikarten und zwei kartons mit tausenden von din-a5-kopien, das gleiche neunzehntausendkartensystem im duplikat, vier karten pro seite. seine hauptbeschäftigung, seine wesentliche aufgabe in dieser phase seines lebens, das ziel, das er in diesem grossen schlafzimmer neben dem kleinen golfplatz verfolgte, bestand darin, gemäss bestimmten, vom colonel ersonnenen kategorien einen zweiten katalog zu erstellen und die beiden dann durch querverweise zu verknüpfen. er hatte keine sekretärin, keinerlei hilfe - dies war die private nachrichtendienstliche bibliothek des colonels, sein geheimes lager, sein mauseloch. er behauptete, er habe alle kopien selber angefertigt, behauptete auch, skip sei ausser ihm der einzige, der mit diesen schätzen in berührung gekommen sei. mit dem grossen, guillotineähnlichen papierschneider und den langen, langen reihen der mit klebstoff gefüllten gläser. und den zwölf kästen, robusten, einen meter langen schubladen, wie sie in bibliotheken verwendet wurden, jede mit vier schablonenziffern auf der vorderseite - (s.70-71)

vielleicht träumt der autor hier den traum der auflösung in der schrift, dargestellt durch die mehr als rückwärtigen dienste des crazy colonel. von diesem colonel lässt sich das gleiche sagen wie von kleists kohlhaas: es haben nachkommen gelebt.

(denis johnson: ein gerader rauch, reinbek bei hamburg: rowohlt 2008, 880 seiten)

| thomas wetttengel © 2011-04-21 |

2011-03-10

LEBEN UND LEBEN LASSEN

die modeopfer unter euch werden es längst wissen: der frühling ist da. und ihr fragt euch natürlich: was soll ich nur anziehen? da kann ich euch sagen: bitte, irgendwas.

irgendwas? nicht irgendwas. es muss schon was hermachen. falls das aprilwetter dieses 2011 etwas früher kommt, solltet ihr den regenschirm einpacken.

aber der regen dauert ja nicht ewig. selbst die sintflut war irgendwann zuende. ihr könnt die sonnenbrille ruhig putzen und aufsetzen. es schadet nichts. unser libysches topmodel präsentiert das modell "brega".

wenn es nur regen und sonne wären. aber das wetter spielt verrückt! klimawandel! umsturz! revolution! kein problem! die "benghazi" outdoor collection hält, was sie verspricht.

unser spezielles angebot für euch, wenn ihr nach einer location für ein heisses date sucht. unser staatstragendes traum-tent "tobruk".

und wenn ihr das alles doppelt bestellt, bekommt ihr das hier obendrauf: die charity-abteilung des familienbetriebs suchoi schenkt euch dieses schmuckstück (und die piloten gleich dazu)! da bleiben keine wünsche offen!

eure menschen werden euch lieben! und wenn nicht: aussitzen und durchtanken! dann bleibt das unterste zuunterst und das oberste zuoberst.

| thomas wettengel © 2011-03-10 |

2011-03-04

LESEN UND LESEN LASSEN (ANSTELLE EINES FAZITS)

mit malapartes HAUT bin ich also durch.

der text ist über weite strecken ärgerlich, klerikal-faschistische scheisse. warum habe ich mir das angetan?

weil es auch gute stellen gibt. die beschreibung des karrens der städtischen müllabfuhr von neapel beispielsweise, der zu festgesetzter stunde, gezogen von zwei kleppern, durch die gassen rattert, um die toten einzusammeln.

"ein schwarm von männern und frauen tauchte aus einer der höhlen hervor, eine rohgezimmerte, lange kiste auf die schultern gestemmt - denn holz war sehr knapp, und die särge bestanden daher aus alten, ungehobelten brettern, aus schranktüren und wurmstichigen fensterläden -; sie liefen, laut weinend und schreiend, wie wenn eine grosse gefahr herannahe, sie drängten sich mit wütendem eifer um den sarg, als befürchteten sie, dass irgendwer käme, ihnen den leichnam streitig zu machen, ihn ihren armen, ihrer liebe zu entreissen."

die anekdote aus der historie des bestattungswesens findet sich in der deutschen erstausgabe auf den seiten 85 bis 88.

die ausführungen zu päderastie, homosexualität und heldentum, die sich durch das ganze buch ziehen, sind durchaus lesenswert.

"'eine masse enttäuschter, verdorbener, verzweifelter junger menschen, die päderasten spielen werden, wie wenn sie tennis spielen.'" (157)

mit malaparte kann der leser ausflüge in die befindlichkeiten, zusammenkünfte und gefühlswelten der oberen gesellschaftsschichten italiens und europas während des zweiten weltkrieges machen. dieses angebot sollte, selbst bei einer leicht nachvollziehbaren abneigung gegen malapartes politische ansichten, nicht leichtfertig ausgeschlagen werden. wie lautete der titel des romans?

"'die haut', erwiderte ich mit leiser stimme, 'unsere haut, diese verfluchte haut. sie ahnen nicht einmal, wessen ein mensch fähig ist, welcher heldentaten und welcher gemeinheiten, um seine haut zu retten. dies, diese widerliche haut, sehen sie?' und bei diesen worten fasste ich mit zwei fingern die haut auf meinem handrücken und zog sie hin und her. 'einst erduldete man den hunger, die folter, die schrecklichsten qualen und entbehrungen, man tötete und man starb, man litt und man machte leiden, um die seele zu retten, die eigene seele und die der anderen. man war jeder grösse und jeder gemeinheit fähig, um die seele zu retten. nicht nur die eigene seele, sondern auch die der anderen. heute leidet man und macht leiden, tötet man und stirbt, vollbringt man wunderbare dinge und entsetzliche dinge, nicht etwa um die eigene seele, sondern um die eigene haut zu retten. man wähnt, für die eigene seele zu kämpfen und zu leiden, aber in wahrheit kämpft und leidet man für die eigene haut, nur für die eigene haut. alles übrige zählt nicht. man wird zum helden für eine sehr armselige sache heutzutage! für eine abscheuliche sache. die menschliche haut ist eine abscheuliche sache. sehen sie. sie ist eine widerwärtige sache. und man muss überlegen, dass die welt voller helden ist, die bereit sind, ihr leben für eine solche sache zu opfern!' (175)

malaparte sagt zwar nicht, woher er weiss, dass man früher nicht für die eigene haut heldentaten vollbracht hat, das muss er auch nicht, weil er keine doktorarbeit schreibt, aber es wäre trotzdem schön zu wissen, warum die haut für malaparte eine so widerwärtige sache ist. vielleicht deshalb, weil an ihr der körper offensichtlich wird?

"ich schwieg, da ich nicht wusste, was antworten. man weiss nie, was man leuten, die für die freiheit sterben, antworten soll." (189)

das ist ein bemerkenswerter satz. den kann man ruhig so stehen lassen, ganz unironisch. bemerkenswert ist auch die szene, in der malaparte sich weigert und seine umgebung davon abhält, einem schwerstverwundeten zu helfen, ihn zu transportieren, und ihm so einen leichteren tod sterben lässt. man weiss nicht, inwiefern die realität des textes einer realität des erlebten entspricht. es ist denkbar, dass sie ihr ganz enstspricht, und das genügt, um ihr eine moralische grösse zu geben. die grösse liegt in der behauptung der hilfe durch nicht-hilfe. die szene ist eine der besten des ganzen buchs, sie befindet sich um die seite 241 herum.

"'really?', rief mrs. flat, vor freude rot werdend und langsam ihren blick mir zuwendend. zwischen ihren zu bewunderndem lächeln geöffneten lippen sah ich das schimmernde weiss ihrer zähne, das helle blitzen dieser wunderbaren amerikanischen zähne, über welche die jahre nichts vermögen, und die geradezu echt wirken, so weiss, so ebenmässig und unberührt sind sie [ausser vom essen und einigen anderen dingen]. dieses lächeln blendete mich, es liess mich mit einem angstschauer die lider schliessen. es war das schreckliche blitzen der zähne, das in amerika das erste glückliche anzeichen des alters ist, der letzte blitz, den jeder amerikaner, während er lächelnd ins grab steigt, als abschiedsgruss der welt der lebenden zusendet." (288)

dieses lächeln kehrt als das lächeln des soldaten aus england im späten gedicht BIRTH OF A SOLDIER von heiner müller zurück. "'ICH BIN EIN NEGER.'" (318) der ausbruch des vesuv ist, als ereignis des romans, anlass, die masse mensch in wenig schmeichelhafter form zu schildern, was man malaparte nicht übel nehmen würde, wenn sie nicht nur ornament und erzähleranlass wäre.

"die scharen schlammbedeckter gespenster, die allerorten der erde entquollen, die menschenmasse, die wie ein hochgehender strom in die untere stadt hinabstürzte, das raufen, heulen, jammern, fluchen, das singen, die angst, die regellose flucht [schwarm-schätzing würde das wohl nicht mehr schreiben], die wilden kämpfe um ein tabernakel, um eine fontäne, um ein kreuz, um eine backstube verbreiteten quer durch die ganze stadt einen aufstandähnlichen tumult, der auf die meeresküste mündete, auf die via partenope, auf die via caracciolo, auf die riviera die chiaia, auf die strassen und plätze, die zwischen den granili und der mergellina dem meere zugewandt sind: als ob das volk in seiner verzweiflung nur vom meere sich rettung erwartete, als ob die menschen hofften, dass die wogen die flammen löschen möchten, welche die erde verzehrten, oder dass wunderwirkendes erbarmen der jungfrau und des heiligen gennaro ihnen die macht gäbe, über die wasser zu wandeln und so zu entfliehen." (360)

doch über den wassern wandelt nur der erzähler, der übrig bleibt, um zu erzählen.

"solchen worten folgte aus der menge ein lautes aufheulen, das dumpfe tönen der gegen brust und bauch trommelnden fäuste und das gellende jammern der gläubigen, die sich die haut zerbissen und zerkratzten." (461)

die masse kommt wirklich nicht gut weg bei malaparte. ihr geht es eben nur um die eigene haut. da verliert sie im urteil des erzählers, der auch malaparte heisst, schnell. das auftreten der masse in DIE HAUT erinnert erschreckend an die unbeholfenen dramatischen versuche der deutschen expressionisten. in einem roman lassen sich massen besser unterbringen. zu überlesen ist das vernichtende urteil malapartes über die masse freilich nicht.

dass faschismus keine meinung, sondern ein verbrechen ist, ist klar. dass auch unliebsame, wenngleich tote autoren gute texte schreiben können, muss man sich immer wieder klar machen.

| thomas wettengel © 2011-03-04 |

2011-02-18

LESEN UND LESEN LASSEN (ANSTELLE EINER PEEPSHOW)

für feministische gemüter ist malaparte sicherlich ein graus.

für schwulstverächter ist DIE HAUT bestimmt keine geeignete lektüre.

wer antikisierende katastrophenbeschreibungen verabscheut, sollte sich gleich abwenden.

wer die gegenwart von grafen und baronen (auch als mittelbar durchs papier grinsende gespenster) nicht ausstehen kann, wird es schwer haben.

aber einige interessante sachen gibt es doch. wer kennt nicht den berühmten satz heiner müllers (der fast berühmter ist als sein unsterblicher name) "ich bin ein neger"? er könnte aus malapartes roman DIE HAUT stammen (deutsche erstausgabe im klangvollen stahlberg-verlag, seite 318 oben).

als plinius ist er nicht so gut, vielleicht, wenn er zuerst, und plinius nach ihm gelebt hätte. wer weiss. irgendwann wird dieses buch ja mal zuende sein.

| thomas wettengel © 2010-02-16 |

2011-02-10

FAHREN UND FAHREN LASSEN

seitdem die berliner s-bahn nur noch mit tempo 60 durch die gegend zuckelt, ist sie zur ausflugs- und bimmelbahn mutiert. sie bringt mich zwar irgendwo hin, und eigentlich ist ja der weg auch das ziel, aber manchmal ist auch das ziel der weg.

von spandau nach lichtenberg in 50 minuten, wer hätte das vor 200 jahren gedacht. oder vor 2 jahren. es gibt gegenden, durch die ich lieber schnell fahre. es gibt diese gegenden in berlin, die nichts als gegend sind, die einfach über- oder durchwunden werden müssen. nun sind die s-bahnen selbst zur wunde geworden, zur rollenden wunde, oder zu maden, die durch die der kriegsführung der bahn gegen die öffentlichkeit geschuldeten wunden kriechen. aber diese maden fühlen sich nicht wirklich wohl, und das sollten sie doch, wenn sie durch wunden kriechen. ach, verfluchte biologismen. früher raste die s-bahn noch durch den todesstreifen, als würde sie selbst irgendwohin flüchten. verdammt, schon wieder.

ich kam von einer senke in der heerstrasse. anschliessend war die mannschaft noch in einer spandauer kneipe, in der es die angeblich besten bouletten des bezirks gab. ich ass auch diese. mit reichlich senf geht so ziemlich alles.

die fahrt von spandau nach lichtenberg hat für die letzten 4 kapitel aus HERR LEHMANN gereicht. das muss man sich mal vorstellen. andererseits, das ist auch einfache kost. nur nicht so oft aus dem fenster sehen: erst faschistische sporttempel, dann tiefstes charlottenburg (dessen anblick mich zu dem schlechten wortwitz "wo kommen denn die schalotten her - na aus schalottenburg" verleitete), ein ufo-bahnhof, die museumsinsel mit dem auf links verkehrten pergamonaltar, plattenbauten.

es gibt gegenden, die nur noch durch ihre verkehrsmittel zu beleidigen sind. berlin ist so eine gegend.

| thomas wettengel © 2011-02-10 |

2011-02-06

ABHACKEN

schwanz abhacken! die mehr oder weniger offen ausgesprochene empfehlung für eine reform des strafgesetzbuchs frei nach schnauze ist bekannt.

was sollte dann mit den ladendieben passieren? vielleicht sollte nicht gleich der arm abgehackt werden, sondern erstmal der kleine finger? erkenne ich in zukunft jemanden, der dreimal geklaut hat, daran, dass er nur noch eine hand hat?

und was wird aus den rasern? wer dreimal geblitzt wird, dem wird prophylaktisch der rechte fuss abgehackt? unter narkose, versteht sich. die kleinen und mittelständischen automobilkonzerne werden nicht einverstanden sein. ich sehe die besorgten mienen der schuhfabrikanten und steuereintreiber.

und was wird aus den bedenkenträgern?


| thomas wettengel © 2011-02-06 |

2011-02-03

LESEN UND LESEN LASSEN (ANSTELLE EINER VORSCHAU)

DIE WOLGA ENTSPRINGT IN EUROPA. das wissen die wenigsten. wo ein bonaparte, da irgendwann ein malaparte. einen schöneren scheinnamen hätte sich der halbe sachse gar nicht geben können. einen grössenwahnsinnigeren allerdings auch nicht.

seine kriegsreportagen habe ich gelesen, war es letztes jahr, oder vor zwei jahren? die aktuelle LETTRE hat mich dann bewegt, mir doch endlich mal einen malaparte zuzulegen: DIE HAUT. ein grosses organ fordert einen grossen roman. mal sehen. das groteske sauna-bild hat mich wohl zum kauf verleitet. der nackte schriftsteller mit pflanzlichem peitschenbündel vor hütte und mitten im winterlichen wald. eine damalige flugstunde weiter der ganze terror des vernichtungskriegs.

dass es ein tscheche ist, der malaparte bespricht, war wohl auch ein beweggrund. wie subtil doch die kauflust ist. und wie unabhängig von der bewussten erinnerung. fühmann fällt mir erst jetzt ein. bei beiden die faschistische jugend. beide versuchen sich, malaparte noch im faschismus, in eine entfernung hinein zu schreiben. bei fühmann ist es das bergwerk, bei malaparte...

"hier kommen keine historischen persönlichkeiten vor. es gibt darin ebenfalls [wie in KAPUTT] grosse gesellschaftliche anlässe, bei denen die neapolitanischen adligen mit den offizieren der amerikanischen armee zusammentreffen; doch ob die namen, die sie tragen, wahr oder erfunden sind, hat hier keinerleit bedeutung. hat jack hamilton, der amerikanische colonel, der malaparte das ganze buch hindurch begleitet, wirklich existiert? wenn ja, hiess er jack hamilton? diese fragen sind ganz und gar belanglos. wir haben das den journalisten und memoirenschreibern vorbehaltene terrain nämlich vollkommen verlassen" (kundera, in: LETTRE, winter 2010, 43)

die zsolnay-ausgabe ist bestimmt teuer, dachte ich mir, und bestellte eine deutsche erstausgabe. wenn sich das mal nicht rächt. ich wünsche mir jedenfalls viel spass.

| thomas wettengel © 2011-02-03 |

2011-02-01

HANDGEMACHTE KROSSE

Diese Wortfolge hörte ich zum ersten Mal, als ich in Bremen zu Besuch war. Meine Freundin wohnt in Bremen. Warum sollte ich sonst nach Bremen fahren? Handgemachte Krosse. In Berlin heißt das einfach Schrippe. Und fertig. Handgemachte Krosse. Für das Wort „handgemachte“ nehmen die Bremer Bäcker gleich zehn Cent mehr als die Berliner für ihre Schrippe. Überhaupt ist hier alles, was nach Nahrungsmittel aussieht oder sich so nennt, teurer als in Berlin. In der Bäckerei Lade am Buntentorsteinweg sind die Handgemachten besonders kross, oder die Krossen besonders handgemacht. Jedenfalls sind die Schrippen im Philosophenviertel teurer als im Flüsseviertel. Obwohl beides in der Neustadt liegt, wie ich inzwischen gelernt habe. Philosophen zählen wohl mehr als Flüsse. Wenn sich das nicht mal rächt. Die Weser ist nämlich ein richtiger Fluss.

| thomas wettengel © 2010-01-26 |

2011-01-27

LESEN UND LESEN LASSEN / SEHEN UND SEHEN LASSEN

Sven Regener NEUE VAHR SÜD / hermine huntgeburth NEUE VAHR SÜD

der roman ist etwas langatmiger als der film, was normal ist. auf 600 seiten lässt sich eben mehr unterbringen als in 90 minuten. der 90-minuten-film hat seine eigenen gesetze. huntgeburths film (drehbuch christian zübert) strafft die handlung und vor allem das personal enorm, sehr zum vergnügen des rezensenten, der den roman als buch zum film lesen musste (notgedrungen, weil später). für die figur des frank lehmann ist eine bessere besetzung als die des frederick lau schwer vorstellbar. so viel dösbaddelige intelligenz ist selten prägnant in einer figur zusammengefasst worden. der film kann ohne lektüre der trilogie gesehen, verstanden und genossen werden. lehmann fährt (anders als im roman) allein nach berlin, ohne den besoffnen punkerfreund wolli. überhaupt ist der roman stellenweise etwas zu sehr verkompliziert worden. vom film lässt sich das nicht sagen. die gefühlten 50 figuren des romans werden zu 13 figuren eingedampft. es lässt sich sagen, dass der roman quasi nackig gemacht wurde. mit einem erstklassigen buch wäre das schwer möglich gewesen. ich habe den film inzwischen noch zwei mal gesehen, und fand ihn mit jeder sichtung besser. nebenbei beleuchten film und roman einen wichtigen punkt in der bundesrepublikanischen geschichte...

| thomas wettengel © 2011-01-27 |